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Weil sie wochenlang im Nest verpflegt werden müssen, nennt man sie
Nesthocker
9. Der Kanarienvogel.
Sein Gesang. Wegen des angenehmen und wechselvollen Ge¬
sanges ist der Kanarienvogel bei arm und reich der beliebteste Stuben¬
vogel. Das Werkzeug seines Gesangs ist der Singmuskelapparat.
Die Luftröhre hat uicht nur oben einen Kehlkopf, sondern auch unten,
wo sich die beiden Äste für die Lungen abzweigen. Mit dem untern
Kehlkopfe wird wie bei allen Singvögeln der Gesang hervorgebracht.
Die Luftröhre und der obere Kehlkopf verstärken den Gesang wie
das Rohr an einer Trompete. Im unteren Kehlkopfe befinden sich
die Stimmbänder, die durch Muskeln verschieden gespannt werden
können. Je stärker die Spannung, desto höher der Ton. Nur das
Männchen kann singen. Die jungen Männchen werden zu einem guten
„Schläger" in die Lehre gegeben, dessen Gesang sie bald annehmen.
Berühmt sind die Schläger aus Andreasberg im Harz. Die Lehrzeit
der jungen Sänger wird durch die Mauser unterbrochen; denn wäh¬
rend des Federwechsels sind die Vögel kränklich und matt. Nach
der Mauserung wird die Lernarbeit wieder begonnen. Nicht nur der
zahme Kanarienvogel ist ein Meister im Gesang, sondern auch der
wilde, der auf den kanarischen Inseln lebt.
Seine Nahrung. Die Hauptnahrung des Stubenkanarien-
vogels bildet Rübsensamen, der mit wenig Hanfsamen untermischt
wird. ' Für diese Nahrung paßt der Schnabel. Er ist kurz, dick
und kegelförmig. Eine Lieblingsspeise des Kanarienvogels ist die
Vogelmiere, die als Unkraut in unsern Gärten wächst. Zum Trinken
muß der Kanarienvogel täglich frisches, nicht zu kaltes Wasser erhalten.
Zum Baden muß man ihm lauwarmes Wasser geben.
Der Kanarienvogel in der Wildnis. Auf den kanarischen
Inseln leben die Kanarienvögel in solchen Mengen wie bei uns die
Sperlinge. Dort sind sie nicht allein auf Sämereien angewiesen, son¬
dern sie tun sich auch an saftigen Früchten und zarten Krautpflanzen
gütlich. An Wasser zum Trinken imb Baden ist kein Mangel. Was
der Kanarienvogel zu seinem Lebensunterhalt braucht, findet er auf
dem Erdboden. In großen Sätzen hüpft er hier von einer Stelle
zur andern. Dazu passen seine Läufe vortrefflich; denn sie sind
schlank, kräftig und mit Horn bedeckt. Drei Zehen sind nach vorn,
und eine ist nach hinten gerichtet. Die Hinterzehe ist frei beweglich.
Die Mittel- und Außenzehe aber sind am Grunde verwachsen. Da¬
durch wird der Fuß fester und eignet sich besser zum andauernden
Hüpfen. Man nennt einen solchen Fuß „Wandelfuß". Fürs Hüpfen
und ebenso fürs Fliegen kommt dem wilden Kanarienvogel aber auch
seine schlanke Gestalt zu gute. Auch eine Schutzfärbung besitzt der
wilde Kanarienvogel; denn sein Federkleid hebt sich wenig von dem
pflanzenbedeckten Boden ab. Er ist an Kopf und Brust goldgrün.