80 Die mythische Zeit.
In demselben Tempel stand auch der heilige Ölbaum jAthene's in einem
Räume, der oben in der Mitte des Daches offen war.
Gefeiert wurden ihr zu Athen alljährlich die kleinen Pana-
thenaen nach der Sommersonnenwende und:
die großen Panathenaen alle 4 Jahre in unserem Monat Juli,
immer im dritten Jahre der lanseudenOlympiade. Es fanden dabei
mehrtägige Spiele statt, wobei der Siegespreis ein Olivenkranz
war mit einem Gefäße des lautersten Olivenöles. Der feierlichsteTheil
des Festes aber war die große P roz essi on (Festzug) von-den Thoren
der Stadt nach dem Parthenon. In derselben gingen zuerst die Ki-
tharöden (Kithara-Spieler), dann kam die Bürgerschaft in Waffen mit
den Siegern in Ross- und Wagenlauf, dann folgten _ die von Priestern
geleiteten Festhekatomben, hierauf kamen Greise mit Ölzweigen, geehrte
Personen mit den Weihgeschenken, Bürgerstöchter mit den Körben der
Opsergeräthe auf dem Haupte, nach diesen kamen die Töchter der
Schutzverwandten, den Bürgerstöchtern Schirme und Sessel nachtra-
gend. Den Mittelpunkt des Zuges bildete ein Schiff auf Rollen, an
welchem-wie ein Segel das von attischen Jungfrauen eigens für Athene
gewebte, prächtige Obergewand, Peplos genannt, hing. Die Prozes-
sion ging durch die schönsten Straßen der Stadt, an den berühmtesten
Heiligtümern vorüber, wo geopfert wurde und dann durch die Pro-
pyläeu, das Eingangsthor zur Burg, nach dem Parthenon, dem
Athene-Tempel. Hier legte man die Waffen ab, stimmte die Festhymne
an, legte die Weihgeschenke im Innern des Heiligthums nieder und
vollzog darauf das Brandopfer. Der Peplos wurde darnach zu der
im Erechtheion stehenden Athene - Polias gebracht. Der Bildhauer
Phidias hat an dem Parthenon das Hauptsächlichste dieses Zuges
oder die Vorbereitungen dazu in Marmorbildern dargestellt.
Arachne.
Anmerk. 1: Die kunstfertige Arachne, die Tochter eines Purpurfärbers zu
Kolöphön im ionischen Kleinasien, rühmte sich, kunstvoller zu spinnen, als selbst
Athene und forderte diese zum Wettkampfe heraus. Die Göttin erschien ihr da-
rauf selbst in Gestalt eines alten Mütterchens und ermahnte sie, ihr frevelndes Wort
zurückzunehmen; aber Arachne bestand darauf, mit der Göttin einen Wettstreit zu be¬
stehen und die Göttin ließ sich denn wirklich zu einem solchen herab. Arachne wirkte
die Erzählung von Zeus und Europa in ihre Arbeit, Athene stellte ihren Wettkampf
mit Poseidon um Attila dar. Die richtenden Nymphen lobten zwar die Arbeit
der Arachne sehr, aber sie mussten doch dem wunderbaren Gewebe Athene's den Vor-
zug geben. Diese schlug nun die vermessene Sterbliche mit ihrem eigenen Webschiffe.
Arachne kränkte sich über diese Schmach so sehr, dass sie sich erhenkte. Jetzt erbarmte
sich Athene ihrer, beträufelte die Erhenkte mit dem Safte von Wunderkräutern und ver-
wandelte sie in eine Spinne, als welche Arachne immer noch ihre Kunst des Spinnens
und Webens ausübt.
Teiresias.
Anmerk. 2: Den Thebaner Teiresias strafte Athene mit Blindheit, weil
er sie einst beim Baden überraschte. Auf Bitten seiner Mutter, welche ihr befreundet
war, schenkte sie ihm jedoch später die Gabe, aus dem Fluge und der Sprache der
Vögel zu weissagen und gab ihm auch einen schwarzen Stab zur Stütze,
Anmerk. ;$: Es war vor Athene's Geburt bestimmt worden, dass diejenige
Stadt, in welcher sie zuerst durch Opfer geehrt werde, ihre Lieblingsstadt werden solle.
Helios hatte nun den Einwohnern von Rhodos, da ihm diese Insel besonders lieb
war, gleich nach Athene's Geburt dieselbe verrathen. Es soll damals auf Rhodos
einen ganzen Tag lang Gold geregnet haben. Die Rhodier eilten auch auf eine Anhöhe,