Geschichte der Griechen. 33
der Arbeit in's Meer. Endlich peinigte in der Landschaft Eleusis
ein gewisser Prokrustes die Wanderer durch seine Betten auf em-
pörende Weise. Er legte nämlich die kleinen in ein großes Bettgestell
und renkte ihnen die Glieder durch eine Art Folter nach der Länge
des Bettes aus, bis sie verschieden; die großen aber brachte er in
ein kleines Bett und hieb ihnen die über das Gestell hängenden Beine
ab, so daß sie verbluten mußten. Alle diese Unholde traf Theseus
auf seiner Reise und ließ sie zur Strafe desselben Todes sterben, den
sie selbst schon Tausenden bereitet hatten. Nach diesen Abenteuern
kam er nach Athen. An dem Schwerte und an den Schuhen er-
kannte Aegeus seinen Sohn und freute sich, daß Theseus bereits so
schwere Abenteuer bestanden habe.
In Athen herrschte damals große Trauer. Die Athener hatten Theseus w
nämlich den Sohn des Königs Minos von Creta meuchlings getödtet,
weil er alle Bürger in den Wettkämpfen besiegt hatte, und dadurch
diesen König zu einem Rachezug gegen die Stadt veranlaßt. Auch
die Götter zürnten Athen ob solchen Frevels; es wuchs Nichts auf
den Feldern, die Quellen vertrockneten, und Seuchen rafften viele
Menschen hinweg. Die Not erreichte den höchsten Grad. Da gebot
das Orakel den Athenern, als sie um Rath fragten, sie sollten den
König Minos unter jeder Bedingung versöhnen. Sie fügten sich
darum den harten Forderungen des Königs, welcher ihnen auferlegte,
neun Jahre lang jährlich 7 Jünglinge und 7 Jungfrauen nach Creta
zu schicken. Schon zwei Jahre hatte Athen diesen traurigen Tribut
von blühenden Söhnen und Töchtern gestellt; sie waren von einem
Ungeheuer, dem Minotaurus, das halb Mensch, halb Stier war, im
Labyrinthe, einem Gebäude voll Jrrgängen, aus denen Niemand den
Rückweg fand, erschlagen und aufgefressen worden. Sowie Theseus Seme Reise
erschien, bot er sich, als die Kinder losten, wer gehen solle, frei- mi> ereta
willig als Opfer an und beschloß, seine Vaterstadt auf immer von
diesem Jammer zu befreien. Aegeus trauerte, daß er seinen Sohn
so bald wieder verlieren sollte, allein Theseus tröstete ihn und theilte
ihm sein Vorhaben mit, den Minotaurus zu erlegen. Beim Abschiede
redeten Vater und Sohn noch mit einander ab, wenn der Mino-
taurus erliege und Theseus siegreich zurückkehre, so solle der Steuer-
mann des Schiffes die bei dieser traurigen Fah^t üblichen schwarzen
Segel abnehmen und weiße aufziehen.
Theseus langte mit seinen unglücklichen Gefährten wohlbehalten
in Creta an und wurde mit denselben vor den König Minos geführt.
Hier sah ihn des Königs Tochter Ariadne; sie gewann den stattlichen
Casfian's Geschichte. I. 5. Stuft. Z