Full text: Gedichtsammlung für Lehrerseminare (Teil 4, [Schülerband])

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Conrad Ferdinand Meyer. 
2. Ich atmet' eilig wie auf Raub 
Der Märkte Dunste der Städte Staub. 
Ich sah den Kampf. Was sagest du, 
Mein reines Firnelicht, dazu, 
Du großes stilles Leuchten? 
3. Nie prahlt' ich mit der Heimat noch 
Und liebe sie von Herzen doch! 
In meinem Wesen und Gedicht 
Allüberall ist Firnelicht, 
Das große stille Leuchten. 
4. Was kann ich für die Heimat tun, 
Bevor ich geh' im Grabe ruhn? 
Was geb' ich, das dem Tod entflieht? 
Vielleicht ein Wort, vielleicht ein Lied, 
Ein kleines stilles Leuchten! 
Engadin, 1867. Gedichte, S. 93. 
309. Himmelsnähe. 
1. In meiner Firne feierlichem Kreis 
Lagr' ich am schmalen Felsengrate hier, 
Aus einem grünerstarrten Meer von Eis 
Erhebt die Silberzacke sich vor mir. 
2. Der Schnee, der am Geklüfte hing zerstreut, 
In hundert Rinnen rieselt er davon, 
Und aus der schwarzen Feuchte schimmert heut 
Der Soldanelle zarte Glocke schon. 
3. Bald nahe tost, bald fern der Wasserfall, 
Er stäubt und stürzt, nun rechts, nun links verweht, 
Ein tiefes Schweigen und ein steter Schall, 
Ein Wind, ein Strom, ein Atem, ein Gebet! 
4. Nur neben mir des Murmeltieres Pfiff, 
Nur über mir des Geiers heisrer Schrei; 
Ich bin allein auf meinem Felsenriff, 
Und ich empfinde, daß Gott bei mir sei. 
Engstlenalp, 1859. Gedichte, <3: 94. 
310. Das Glöcklern. 
l. Er steht an ihrem Pfühl in herber Qual, 
Ten jungen Busen muß er keuchen sehn — 
Er ist ein Arzt. Er weiß, sein traut Gemahl 
Erblaßt, sobald die Morgenschauer wehn.
	        
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