Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71.
83
Nun galt es, einen Vorwand zum Kriege zu suchen; und diesen
glaubte die französische Regierung gefunden zu haben, als 1870 die
Spanier, die ihre Königin vertrieben hatten und nun einen neuen
Herrscher suchten, dem Prinzen Leopold von Hohenzollern
den Thron anboten. Prinz Leopold war der älteste Sohn des Fürsten
von Hohenzollern, des Hauptes der schwäbischen Linie des Hauses, die
vor einiger Zeit ihr Gebiet an Preußen überlassen hatte. Leopolds
jüngerer Bruder Karl war vor kurzem zum Fürsten von Rumänien
erhoben worden und hat dieses Land durch seine weise und tatkräftige
Regierung zu hoher Blüte gebracht; er ist in hohem Alter während des
Weltkrieges gestorben.
Die Absicht, Leopold auf den spanischen Thron zu erheben, war
zunächst geheim gehalten worden. Bismarck ermunterte ihn, die Krone
anzunehmen; König Wilhelm war im Grunde seines Herzens kein
Freund des Unternehmens, versagte aber seine Zustimmung nicht. Als
nun aber der Plan bekannt wurde, entstand in Frankreich eine unge-
heure Aufregung; in den Zeitungen, in der Volksvertretung, von den
Ministern wurden Schmähungen und Drohungen gegen Preußen aus¬
gestoßen. Der französische Gesandte in Berlin, Benedetti, erhielt
Weisung, zu erklären, Frankreich könne nicht dulden, daß ein preußischer
Prinz König von Spanien werde, und vom König zu verlangen, er
möge ihm befehlen, zurückzutreten.
Komg Wilhelm und Benedetti in Ems. König Wilhelm weilte im
Julr 1870 in der Bäderstadt Ems an der Lahn; „friedlich wie er war
gesunnen, trank er seinen Kränchenbrunnen". So reiste denn Benedetti
nach Ems, um seinen Auftrag auszuführen. Der König nahm ihn in 1870
seiner gütigen Weise freundlich auf; aber dem Prinzen den Rücktritt
zu befehlen, lehnte er ab. Inzwischen hatte Leopold selbst diesen Schritt
getan; er sah die Erregung des französischen Volkes und wollte nicht,
daß um seinetwillen ein Krieg entstände. König Wilhelm teilte dem
französischen Gesandten, den er in den Kuranlagen traf, die Nachricht
mit So schien der Streit erledigt zu sein. Die Franzosen hatten ihren
Willen durchgesetzt; sie konnten sich damit brüsten, daß der Lärm, den
sie gemacht hatten, genügt habe, um die preußische Regierung zum Nach-
geben zu notigen. Aber damit waren sie noch nicht zufrieden. Sie
wollten die Demütigung noch weiter treiben.
So erhielt denn Benedetti von dem französischen Minister einen
zweiten Auftrag; er sollte vom König verlangen, er möge sich
6*