Full text: Vaterländische Geschichte der letzten Jahrhunderte (1)

Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71. 
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Nun galt es, einen Vorwand zum Kriege zu suchen; und diesen 
glaubte die französische Regierung gefunden zu haben, als 1870 die 
Spanier, die ihre Königin vertrieben hatten und nun einen neuen 
Herrscher suchten, dem Prinzen Leopold von Hohenzollern 
den Thron anboten. Prinz Leopold war der älteste Sohn des Fürsten 
von Hohenzollern, des Hauptes der schwäbischen Linie des Hauses, die 
vor einiger Zeit ihr Gebiet an Preußen überlassen hatte. Leopolds 
jüngerer Bruder Karl war vor kurzem zum Fürsten von Rumänien 
erhoben worden und hat dieses Land durch seine weise und tatkräftige 
Regierung zu hoher Blüte gebracht; er ist in hohem Alter während des 
Weltkrieges gestorben. 
Die Absicht, Leopold auf den spanischen Thron zu erheben, war 
zunächst geheim gehalten worden. Bismarck ermunterte ihn, die Krone 
anzunehmen; König Wilhelm war im Grunde seines Herzens kein 
Freund des Unternehmens, versagte aber seine Zustimmung nicht. Als 
nun aber der Plan bekannt wurde, entstand in Frankreich eine unge- 
heure Aufregung; in den Zeitungen, in der Volksvertretung, von den 
Ministern wurden Schmähungen und Drohungen gegen Preußen aus¬ 
gestoßen. Der französische Gesandte in Berlin, Benedetti, erhielt 
Weisung, zu erklären, Frankreich könne nicht dulden, daß ein preußischer 
Prinz König von Spanien werde, und vom König zu verlangen, er 
möge ihm befehlen, zurückzutreten. 
Komg Wilhelm und Benedetti in Ems. König Wilhelm weilte im 
Julr 1870 in der Bäderstadt Ems an der Lahn; „friedlich wie er war 
gesunnen, trank er seinen Kränchenbrunnen". So reiste denn Benedetti 
nach Ems, um seinen Auftrag auszuführen. Der König nahm ihn in 1870 
seiner gütigen Weise freundlich auf; aber dem Prinzen den Rücktritt 
zu befehlen, lehnte er ab. Inzwischen hatte Leopold selbst diesen Schritt 
getan; er sah die Erregung des französischen Volkes und wollte nicht, 
daß um seinetwillen ein Krieg entstände. König Wilhelm teilte dem 
französischen Gesandten, den er in den Kuranlagen traf, die Nachricht 
mit So schien der Streit erledigt zu sein. Die Franzosen hatten ihren 
Willen durchgesetzt; sie konnten sich damit brüsten, daß der Lärm, den 
sie gemacht hatten, genügt habe, um die preußische Regierung zum Nach- 
geben zu notigen. Aber damit waren sie noch nicht zufrieden. Sie 
wollten die Demütigung noch weiter treiben. 
So erhielt denn Benedetti von dem französischen Minister einen 
zweiten Auftrag; er sollte vom König verlangen, er möge sich 
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