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armen Knaben, fromme Lieder singend und dafür um ein Almofen bittend,
in der Stadt umher. Einmal war er in Eifenach schon vor mehreren
Thüren abgewiesen worden; da bemerkte eine Frau Cotta, wie andächtig
gerade Luther fang, und wie herzlich er betete. Sie nahm ihn an ihren
Tifch, gewann ihn sehr lieb und gab ihm manche gute Lehre. Als Heller
Kopf machte er in der Schule gute Fortschritte; mit 18 Jahren kam er auf
die Hochschule (Universität) in Erfurt.
2. Luthers Vater, der durch unermüdlichen Fleiß allmählich aus
dürftigen Verhältnissen zn einem gewissen Wohlstande sich emporgearbeitet
hatte, war ehrgeizig; er wünschte, Martin solle Rechtsgelehrter werden,
um die höchsten Würden erlangen zu können. Aber in dem Sohne lebte
ein ganz anderer Sinn. Nicht die ganze Welt zu gewinnen, fondern keinen
Schaden zu nehmen an feiner Seele, das war fein höchstes Ziel. Gewissen-
hast rang er danach fromm zu werden und rein von allen Sünden; er war
tief unglücklich, als er bemerkte, wie schwer dies sei. Endlich glaubte er,
den einzigen Weg gesunden zu haben, Gottes Gnade zu erlangen: er trat
in das Kloster und wurde Mönch. Der Vater zürnte ihm darüber sehr,
sah er doch damit seine liebsten Hoffnungen vernichtet.
Aber der junge Mönch selbst hatte sich sehr getäuscht, wenn er hier
innere Sammlung und Seelenfrieden zu finden gemeint hatte. Zunächst
wurde er zu den niedrigsten Diensten (wie Ausfegen) herangezogen, obwohl
er auf der Universität schon für einen tüchtigen Gelehrten gegolten hatte.
Auch mußte er mit dem Sack auf dem Rücken für das Kloster betteln
gehen. Tiefe Schwermut umnachtete feine Seele, sobald er sah, daß er als
Mönch keine Fortschritte in der Heiligung mache, daß er die Regungen des
Zornes, Hasses, Neides, der Ungeduld noch nicht bemustern gelernt habe.
Er fiel zuweilen in eine fo tiefe Ohnmacht, daß er nur durch die Klänge
der Musik, die er leidenschaftlich liebte, ins Leben wieder zurückgerufen
werden konnte. Er würde an der inneren Seelenqual auch körperlich zu
Grunde gegangen sein, wenn ihn nicht ein teilnehmender Ordensbruder auf
das tröstliche Wort des Apostel Paulus hingewiesen hätte*): „der Mensch
wird gerecht nicht durch des Gesetzes Werke, fondern allein durch den
Glauben". Das war Balsam für die wunde Seele.
3. An der Spitze des Augustinerordens, in den Luther eingetreten war.
stand ein wohlwollender Oberer, Staupitz mit Namen. Dieser wurde bald
aufmerksam aus den eigengearteten Mönch, der es fo ernst nahm mit
*) Rom. 3, 28.