Full text: Leitfaden der Geschichte für die unteren und mittleren Klassen höherer Lehranstalten

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Macht. Zudem hatte Preußen 1805 Miene gemacht, an dem Krieg 
gegen ihn sich zu beteiligen, und war dem Krieg nur fern geblie- 
ben, weil die Entscheidung bei Ansterlitz so rasch gefallen war. 
Napoleon wußte das und behandelte Preußen mit herausfordern- 
der Geringschätzung. Er hatte z. B. einige Jahre vorher Preußen 
das den Engländern abgenommene Hannover gegeben; jetzt bot er 
es England ohne weiteres wieder an. Da der König von Preußen 
sah, daß Napoleon einen Krieg wolle, wich er ihm nicht aus, und 
so folgte der unglücklichste Krieg der ruhmvollen preußischen Kriegs- 
geschichte. 
b. Der Zusammenbruch. Das Heer war tapfer und wohl¬ 
gedrillt, aber es bestand aus Söldnern ohne Begeisterung für die 
Sache, war auch viel schwächer als das feindliche. Die Führer 
waren meist energielose Greise, namentlich der Obergeneral, der 
71jährige Herzog von Braun schweig. Napoleon rückte mit 
überraschender Schnelligkeit heran. Am 10. Oktober stießen die Fran- 
zosen bei Saalfeld auf den preußischen Vortrab unter dem Prinzen 
Louis Ferdinand. Die Preußen wurden geworfen, der Prinz fiel. 
Schon vier Tage darauf war der Krieg entschieden. Am 14. Oktober 
besiegte Napoleon bei Jena ein preußisches Korps unter dem Prinzen 1806. 
Hohenlohe, gleichzeitig einige Meilen abwärts der Marschall Da- 
voust in ungleich schwererem Kampfe die preußische Hauptarmee 
unter dem Herzog Karl von Braunschweig bei Auerstädt. Der 
Herzog selbst wurde tödlich verwundet. Das preußische Kriegswesen 
aber brach mit dem einen Tag zusammen. Das Heer hatte in der 
Schlacht sich tapfer geschlagen. Aber es war von seiner geraden 
Rückzugslinie abgedrängt und löste sich mehr und mehr auf; ein- 
zelne Teile ergaben sich dem Feinde. Die Festungen, für eine Be- 
lagernng nicht gerüstet und von alten, abgelebten, kopflosen Gene- 
ralen befehligt, öffneten fast alle ohne jeden nennenswerten Wider- 
stand in schmachvoller Eile dem Feind die Tore, z. B. Erfurt, 
Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg, Glogau, Breslau, Brieg, 
Schweidnitz. Auch in der Bevölkerung fand der Sieger vielfach 
ehrlose Unterwürfigkeit. Nur wenige Generale und Festungen ret- 
teten die Ehre der preußischen Waffen wie der tapfere Blücher, 
der nach mörderischem Kampfe bei Lübeck die Waffen streckte, 
„weil er kein Brot und keine Munition mehr hatte". Unter den 
Festungen zeichnete sich vor allem Kolberg durch seine tapfere 
Verteidigung aus, in der der tapfere Kommandant Gneisen au 
durch den Husarenoffizier von Schill und den alten, wackern 
Nettelbeck unterstützt wurde. Auch Graudenz und Glatz behaup- 
teten sich bis zum Frieden. Danzig siel nach rühmlicher Ver- 
teidiguug. 
c. Eylau und Friedland. Nach der Schlacht bei Jena 
zog Napoleon in Berlin ein, während der König nach Ostpreußen
	        
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