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wie schon vorher seine Ritterlichkeit, so wurde nun auch die Milde
und Weisheit seiner Regierung bei allen Völkern gepriesen.
Allmählich wurde es einsam um den König, der noch immer
in jugendlicher Schönheit prangte. Er begrub seinen alten Erzieher,
und Waffenmeister Hildebrand, seinen Gesellen Heime, den er be-
gnadigt und zu sich an den Hof geholt hatte, schließlich auch seine
geliebte Gemahlin Herrat. Über dem Tode des herrlichen Helden
liegt tiefes Geheimnis; er soll von einer Jagd nicht zurückgekehrt
und spurlos verschwunden seim Das treue Gotenvolk konnte sich
nicht darein schicken; es meinte lange Zeit, er lebe noch und halte
sich nur versteckt; wenn die rechte Stunde gekommen sei, werde er
wieder erscheinen und sein Volk zum Siege führen.
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III. Siegfried*
a) Siegfrieds jfugend.
In den Niederlanden herrschte das Königspaar Siegmund
und Siegelinde, die aus uraltem Fürstengeschlecht stammten.
Beim Einbruch wilder Feinde verloren sie beide das Leben in der
brennenden Königsburg. Gerettet aber wurde ihr kleiner Sohn
Siegfried. Im tiefen Walde fand ihn der kunstreiche Schmied
Mime, der mitten im Walde seine Werkstatt hatte; in dessen
Schutze wuchs der junge Königssohn auf. Schon als Knabe zeigte
er auffallende Schönheit und fast übermenschliche Kräfte, dazu
heiteren Sinn und große Offenherzigkeit.
In der Schmiede war er nicht recht zu gebrauchen, da er mit
seiner gewaltigen Kraft Unheil anrichtete, den Amboß in Grund
und Boden schmetterte und den älteren Gesellen nicht untertänig
war. So ward er von Mime zum Kohlenbrennen angestellt und
hatte im dichtesten Walde Bäume zu fällen und Kohlenmeiler auf-
zuschichten. Damit störte er die Ruhe des wilden Drachen F a f n e r ,
der sich aufmachte, den Störenfried umzubringen. Er fiel über
Siegfried her, als dieser eben darüber war, neben dem Meiler im
Kessel sich sein Mittagbrot zu bereiten. Aber der furchtlose Jüng-
liug riß schnell einen brennenden Baum aus der Glut und führte
damit so gewaltige Streiche gegen den Drachen, daß dieser bald
das Leben lassen mußte. Frohlockend schnitt ihm Siegfried das
Herz aus dem Leibe und warf es in den Kessel, um durch diesen
leckeren Bissen sein kärgliches Mahl zu verbessern.
Kaum aber hatte er davon genossen, so wurde er vogelstimmen-
kund; er hörte und verstand, was über ihm in den Bäumen die