Full text: Bilder aus der Götter- und Heldensage der Griechen, Römer und Deutschen (Teil 1 = Sexta)

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wie schon vorher seine Ritterlichkeit, so wurde nun auch die Milde 
und Weisheit seiner Regierung bei allen Völkern gepriesen. 
Allmählich wurde es einsam um den König, der noch immer 
in jugendlicher Schönheit prangte. Er begrub seinen alten Erzieher, 
und Waffenmeister Hildebrand, seinen Gesellen Heime, den er be- 
gnadigt und zu sich an den Hof geholt hatte, schließlich auch seine 
geliebte Gemahlin Herrat. Über dem Tode des herrlichen Helden 
liegt tiefes Geheimnis; er soll von einer Jagd nicht zurückgekehrt 
und spurlos verschwunden seim Das treue Gotenvolk konnte sich 
nicht darein schicken; es meinte lange Zeit, er lebe noch und halte 
sich nur versteckt; wenn die rechte Stunde gekommen sei, werde er 
wieder erscheinen und sein Volk zum Siege führen. 
• ' 
III. Siegfried* 
a) Siegfrieds jfugend. 
In den Niederlanden herrschte das Königspaar Siegmund 
und Siegelinde, die aus uraltem Fürstengeschlecht stammten. 
Beim Einbruch wilder Feinde verloren sie beide das Leben in der 
brennenden Königsburg. Gerettet aber wurde ihr kleiner Sohn 
Siegfried. Im tiefen Walde fand ihn der kunstreiche Schmied 
Mime, der mitten im Walde seine Werkstatt hatte; in dessen 
Schutze wuchs der junge Königssohn auf. Schon als Knabe zeigte 
er auffallende Schönheit und fast übermenschliche Kräfte, dazu 
heiteren Sinn und große Offenherzigkeit. 
In der Schmiede war er nicht recht zu gebrauchen, da er mit 
seiner gewaltigen Kraft Unheil anrichtete, den Amboß in Grund 
und Boden schmetterte und den älteren Gesellen nicht untertänig 
war. So ward er von Mime zum Kohlenbrennen angestellt und 
hatte im dichtesten Walde Bäume zu fällen und Kohlenmeiler auf- 
zuschichten. Damit störte er die Ruhe des wilden Drachen F a f n e r , 
der sich aufmachte, den Störenfried umzubringen. Er fiel über 
Siegfried her, als dieser eben darüber war, neben dem Meiler im 
Kessel sich sein Mittagbrot zu bereiten. Aber der furchtlose Jüng- 
liug riß schnell einen brennenden Baum aus der Glut und führte 
damit so gewaltige Streiche gegen den Drachen, daß dieser bald 
das Leben lassen mußte. Frohlockend schnitt ihm Siegfried das 
Herz aus dem Leibe und warf es in den Kessel, um durch diesen 
leckeren Bissen sein kärgliches Mahl zu verbessern. 
Kaum aber hatte er davon genossen, so wurde er vogelstimmen- 
kund; er hörte und verstand, was über ihm in den Bäumen die
	        
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