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Treue geleistet. Dasselbe hatte auch Herzog Thassilo gethau. Aber seine
Gemahlin, eine Tochter des Langobardenkönigs Desiderius, reizte ihn fort-
wahrend zum Widerstande gegen die Franken. Einer an ihn ergangenen
Ladung zur Verantwortung nach Worms zu kommen, war er nicht ge-
folgt, und deshalb zog Karl jetzt mit drei Heeren nach Bayern, und
Thassilo mußte vor dieser Übermacht sich beugeu. Karl behandelte ihn
jedoch großmütig und ließ ihn im Besitze des Herzogtums, nur mußte er
auss ueue den Huldigungseid leisten. Doch die Unterwerfung war nur
«ine erzwungene. Nicht lange dauerte es, da empörte sich Thassilo von
neuem und reizte sogar die Avaren, ein wildes Volk in Ungarn, zu Ein-
fällen in fränkisches Gebiet. Deshalb ließ Karl ihn gefangen nehmen uud
auf dem Reichstag zu Ingelheim wegen Treubruchs zum Tode verurteilen.
Aber das Leben wurde ihm geschenkt und er in ein Kloster geschickt. Auch
die räuberischen Avaren blieben nicht ungestraft. Sie wurden in ihrem
eigenen Lande angegriffen und besiegt und ihr Land bis jenseits der Raab
als „Ostmark" mit dem fränkischen Reiche vereinigt.
In den letzten Jahren seiner Regierung hatte Karl noch mit den
Slaven und Normannen Krieg zu führen und war auch gegen diese Völker
siegreich.
§ 67.
Karts Kai ferkro nung.
Papst Hadrian, Karls Freund, war gestorben und Leo III. ihm auf
dem päpstlichen Stuhle nachgefolgt. Dieser wurde bei einer feierlichen
Prozession von einer feindlich gesinnten Partei vom Pferde gerissen und
unter argen Mißhandlungen in ein Kloster geschleppt, wo man ihn gefangen
halten wollte. Doch mit Hülfe des eiligst herbeigeeilten Herzogs von Spo-
leto entkam er und begab sich nach Deutschland zu dem mächtigen Franken-
könige, der eben zu Paderborn einen Reichstag abhielt. Karl empfing den
Hülfesuchenden mit Auszeichnung und versprach ihm Schutz und Beistand.
Darauf ließ er ihn unter starker Bedeckung nach Rom zurückgeleiten und
unternahm im Herbste des folgenden Jahres seinem Versprechen gemäß
einen Zug nach Rom. Hier hielt er strenges Gericht über die Schuldigen;
die Bitten des Papstes bewogen ihn aber zur Milde. So wurde die Ruhe
bald völlig hergestellt, und das h. Weihnachtsfest, mit welchem in jenen
Zeiten das neue Jahr und diesmal gerade ein neues Jahrhundert anfing,
konnte in aller Ruhe gefeiert werden. Die Anwesenheit des mächtigen
Frankenkönigs und der vielen Großen des Reichs erhöhte den Glanz des
Festes und zog eine zahlreiche Menschenmenge nach Rom. Angethan mit
einem Purpurmantel erschien Karl am Tage des Festes in der St. Peters-
kirche, in welcher unzählige Menschen aus allen Ländern Europas ver¬
sammelt waren. Andächtig kniete der König an den Stufen des Hoch-