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altarg um fein Gebet zu verrichten. Samt, als er fchon wieder ausstehen
unb ftch entfernen wollte, siehe, ba nahet sich ihm ber heilige Vater in
feierlichem Zuge mit den höchsten Würdenträgern der Steche, eine goldene
ber.®a"b lra9ei,b' Diese setzte er dem Frankenlönige auf und
|a T9n mit dem hl. Ol zum „römischen Kaiser". Unb bas ver¬
sammelte Volk brach in ben freudigen Jubelruf aus: „Leben und Siea
Karl dem Großen, dem von Gott gekrönten, friedebringenden Kaiser ber
me diesen Rufe mischte sich alsbald das Schmettern der Trom-
peten und Posaunen, und ein zahlreicher Chor stimmte den K'rönungs-
gesang an. So würbe bas von einem Deutschen vernichtete römische
Kaisertum von einem Deutschen wieber aufgerichtet unb später von einem
Nachfolger Karls auf die Dauer mit dem deutschen Reiche vereinigt.
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Karls des Hroßen Staatseinrichtungen und
Familienleben.
^ ®av[ war nicht blos ein gewaltiger Kriegsheld, sondern auch ein großer
Herrscher und Gesetzgeber und ein zärtlicher Familienvater. Das ungeheuere
Reich, welches er durch die Wucht seines Schwertes und die Überlegenheit
se"es Geistes geschaffen, zerfiel zwar unter feinen Nachfolgern in verschie¬
dene Teile, aber die trefflichen Gefetze, die er gegeben, die wohlthätigen
Einrichtungen, die er ins Leben gerufen, dauerten lange fort und spendeten
reichen Segen. Denn die, welche er als Held mit dem Schwerte unter-
worfen hatte, wollte er als Vater durch Liebe beglücken. Unablässig war
er bemüht seine Völker aufzuklären, sie weifer und besser zu machen. Die
gelehrtesten Männer seiner Zeit zog er an seinen Hof und schenkte ihnen
seine Achtung und Freundschaft. Mit ihrer Hülfe suchte er Unterricht und
Bildung allgemein zu verbreiten und stiftete deshalb viele Schulen, um die
Jugend zu gesitteten unb gottesfiirchtigen Menschen heranbilden zu lassen. Er
schätzte erworbene Kenntnisse unb gute Sitten höher als ererbte Standes-
vorlüge ohne diese. Darum besuchte er, wo er nur konnte, selbst die
Schulen, um mit eigenen Augen zu sehen, ob seine Vorschriften auch be¬
sagt, seinen Anordnungen nachgekommen würde. Emst fand er bei einem
solchen Schulbesuche, daß die Söhne der Vornehmen den Kindern gemeiner
Lente an Kenntnissen und Fleiß weit nachstanden. Diese mußten sich zu
seiner Rechten, jene zu seiner Linken aufstellen. Dann sagte er zu deu
armen, aber fleißigen Kindern in liebevollem Tone: „Ich danke euch, meine
Kinder, ihr habt ganz meinen Wünschen entsprochen, euch zur Ehre und
zum bleibenden Nutzen." Zürnend wandte er sich hierauf an die vorneh¬
men, aber trägen Kinder mit den drohenden Worten: „Ihr aber, ihr
Söhne der Edelen. ihr feinen Püppchen. die ihr euch der Trägheit und dem