Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte von 1648 bis 1815 (Teil 2)

118 Vom Großen Kurfürsten bis zum Tode Friedrichs des Großen. 
die treue Fürsorge eines landesväterlichen Herzens zu verkennen. In den 
Massen des niederen Volkes begann sich das Vertrauen zu entwickeln, daß die 
Krone der beste Freund des gemeinen Mannes sei (Gesundheitsämter, Almosen¬ 
ämter, Feuerlöschordnungen rc.). 
b. In den Städten schritt der König zum Schutze des „arbeitenden 
Bürgertums gegen die aussaugende Minderheit oligarchischer Magistrate" ein. 
Durch besondere Untersuchungskommissionen ließ er die in den Stadtverwaltungen 
bestehenden Mißbräuche schonungslos aufdecken und die Herrschaft der alten Rats- 
fainilien beseitigen. Allerdings wurde dabei die städtische Selbstverwaltung fast völlig 
zerstört (die königlichen Steuerräte führten das unumschränkte Regiment in den Städten), 
„aber die Gegengabe fehlte nicht. Zucht und Ordnung, Gerechtigkeit und Rechts¬ 
gleichheit wurden auch in diese Sphären zurückgeführt, und wenn es nur zu oft mit 
barschem, bureaukratisch-militärischem Kommandoton geschah, wenn das Eingreifen der 
Staatsgewalt in das städtische Leben nicht selten vielleicht die Grenze des Notwendigen 
überschritt, wenn das ganze System seine eigentliche Berechtigung doch nur als vor¬ 
übergehendes Erziehungsmittel haben mochte und auch seinerseits wieder gewisse Mi߬ 
bräuche im Gefolge hatte, so sind die Vorgesetzten Erziehungszwecke doch zu einem 
nicht geringen Teil erreicht worden". (Erdmannsdörffer.) 
c. In der Fürsorge des Königs für die bäuerliche Landbevölkerung 
zeigten sich die Anfänge einer sozialen Gesetzgebung. 
a. „Die Lage des Bauernstandes hatte sich seit dem Emporkommen der 
Ständeherrschaft unausgesetzt verschlimmert. Selbst der Große Kurfürst hatte 
für die Besserung der bäuerlichen Verhältnisse nichts getan, er folgte damit 
ganz den politischen Grundsätzen seiner Zeit, die ihn vor allem auf die 
Willfährigmachung des ständischen Adels zur Mitarbeit an fürstlicher Größe 
hinwiesen." Wenn nun auch bei den Maßregeln, die Friedrich Wilhelm I. 
zum Schutze des Bauernstandes traf, kaum an die Wirkung sozialpolitischer 
oder humanitärer Motive gedacht werden kann, so ergab sich doch aus der 
Militärorganisation, die der König begründet hatte, ein völlig neues Prinzip 
für die Behandlung der sozialen Verhältnisse. Dem Scharfblick des Königs 
konnte es nicht entgehen, daß jede Beeinträchtigung des bäuerlichen Besitzstandes 
einen finanziellen Verlust für den Staat bedeutete und auch im Interesse des 
Armeeersatzes verboten werden mußte; ebensowenig blieb es dem volkswirt¬ 
schaftlichen Genie dieses ausgezeichneten Regenten verborgen, daß der Auf¬ 
schwung des wirtschaftlichen Lebens durch die soziale Unfreiheit der bäuerlichen 
Bevölkerung aufgehalten werden mußte. 
ß. Die vom König beabsichtigte Aufhebung der Erbuntertänigkeit der Amts¬ 
bauern (Bauern der königlichen Domänen) scheiterte an dem Widerstande 
der Beamten und vor allem der Bauern selbst, die den Anspruch auf 
die Unterstützung des Gutsherrn in Zeiten der Not nicht verlieren wollten. 
(1719—1723 hatte der König die Leibeigenschaft in Hiuterpommern, Preußen 
und Kammin für aufgehoben erklärt.) 
y. Um so energischer trat Friedrich Wilhelm I. dafür ein, daß dem Un¬ 
wesen der Bauernschinderei und -Plackerei gesteuert wurde. 
(verbot, die Bauern zu übermäßigen vorspanndiensteu zu nötigen, bei „Strafe 
der Karre"; Befehl, die Bauern über das Naß der von ihnen zu leistenden Dienste 
zu hören, \722; verbot „des barbarischen Wesens, die Untertanen gottloserweise 
mit prügeln und peitschen wie das Vieh anzutreiben", *738; bestimmte Begrenzung 
der bäuerlichen Lasten und Dienste; Aufhebung der Loskaufsgelder bei Heiraten 
zwischen Amts- und Gutsbauern, j?23.)
	        
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