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Vom Großen Kurfürsten bis zum Tode Friedrichs des Großen.
3. Durch seine Mitwirkung bei der ersten Teilung Polens (1772)
erwarb Friedrich der Große seinem Staate den unentbehrlichen Besitz West-
preußens.
a. Die Ursachen für den mit der ersten Teilung Polens beginnenden
Untergang dieses Reiches sind in der sittlichen Entartung und in der
politischen Unfähigkeit des polnischen Volkes zu suchen.
«. „Schon lange schwebte das Schicksal der Auflösung über polen und
war auf die Dauer kaum abzuwenden. Ls schien dies Land zum warnenden Beispiel
ausersehen, wohin die ungezügelte Herrschaft von Junkern und Priestern ein Volk
führen muß. Lange, bevor die treulose Politik der Nachbarn dort gewaltsam in die
Dinge eingriff, war das endliche Los dieser zerrütteten Staatsverbindung mit Sicher¬
heit vorauszusehen: erlag sie nicht einem feindseligen Stoße von außen, so mußte sie
an dem Prozesse innerer Zersetzung zugrunde gehen, den der Mangel aller gesunden
gesellschaftlichen Bildung und jeder staatlichen Grganisation langsam, aber sicher vor¬
bereitete. Ein Volk von Sklaven, tumultarisch geleitet von einer leichtfertigen und
abenteuernden Aristokratie, in welcher sich die Untugenden der Bqxbarei mit Lastern
der Zivilisation verschmolzen, rohes Sarmatentum und überfeines, verfaulendes Fran-
zosentum aneinandergeklebt, das alles unter einer sogenannten Verfassung, welche die
Anarchie der Einzelwillkür, die Gedanken- und Gesetzesverwirrung auf den Thron
erhob, wer wollte von diesem unheilvollen wüste eine gedeihliche Entwicklung er¬
warten? Zumal wenn die Masse des Volkes nicht nur aller Erziehung, sondern
selbst des Bildungsbedürfnisses entbehrte, wenn sie ohne blühenden und freien Land¬
bau, ohne Schiffahrt und Handel, von Adligen, Pfaffen und Juden um die Wette
ausgepreßt und im Schmutze fast erstarrt, dahinvegetierteI Lin solches Volk, das
gegen westen an die mächtigsten und kultiviertesten Staaten des Erdbodens grenzte,
nach Vsten von einem zwar noch barbarischen Reiche berührt ward, dessen Macht
aber in einer Hand vereinigt war, konnte inmitten dieser andringenden Gegensätze
auf die Dauer ein unabhängiges Leben nicht behaupten." (Häußer, Deutsche Geschichte
vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des Deutschen Bundes. I. Bd.)
ß. Die politische Unfähigkeit des polnischen Volkes bekundete sich am deutlichsten
in seiner Verfassung («Organisation des Reichstages, Liberum veto, Machtlosigkeit
des Königtums).
b. Die Veranlassung zur ersten Teilung Polens ergab sich aus
dem gewaltsamen Eingreifen Rußlands in die inneren Verhältnisse des polnischen
Reiches und aus der Eifersucht Österreichs und Preußens auf die Erfolge
Rußlands in der Türkei.
ct. vor der Königswahl von standen sich in polen zwei Parteien
gegenüber, von denen die eine (potocki, Radziwill, Branicki) die Wahl eines sächsischen,
die andere (Lzartoryski) die eines einheimischen Großen durchsetzen wollte; Rußland
erzwang im Anschluß an die letztere die Wahl poniatowskis und suchte alle
Reformbestrebungen zu Hintertreiben.
ß. Als die Bitte der Dissidenten (Protestanten, Sozinianer und (Orthodoxe) um
Gleichberechtigung mit den Katholiken vom polnischen Reichstage auf Betreiben des
Klerus abgelehnt wurde, bildeten diese Dissidenten und ihre Freunde unter dem Schutze
des russischen Gesandten (Repnin) die Konföderation von Radom, um sich die An¬
erkennung ihrer Gleichberechtigung zu erstreiten, was ihnen mit russischer Hilfe und
der Mitwirkung Poniatowskis auch gelang. Gleichzeitig erzwang Rußland (durch
Heeresmacht) einen Beschluß des Reichstages, nach welchem das Liberum veto bei-
behalten werden und jeder Reichstagsbeschluß der Bestätigung der Kaiserin von Ru߬
land bedürfen sollte.
Gegen den König und zur Beseitigung des russischen Einflusses trat jetzt die
Konföderation von Bar in die Schranken, deren Truppen von den Russen aber er¬
folgreich bekämpft wurden.