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lebhaft denkende Prinz durch den Religionsunterricht nicht befriedigt, sondern
zurückgestoßen wurde. Mit der militärischen Ausbildung wurde es
sehr ernst genommen. Zur Übung des Prinzen im Waffendienste wurde
schon 1717 eine Kadetten-Kompagnie errichtet, und im zwölften Jahre war
Friedrich im militärischen Dienste schon so sicher, daß er dem zum Besuch
am Hofe weilenden Könige von England seine Kadetten zur größten Zu--
friedenheit vorführen konnte.
2. Entfremdung zwischen Vater und Sohn. Mit zunehmendem Alter
zeigte Friedrich mehr und mehr außerordentliche Fähigkeiten des Geistes,
und zugleich entwickelte sich in ihm eine große Neigung zu Wissen-
schuft und Kunst, die ihn keinen Geschmack mehr am Soldatenwesen
finden ließ; auch die Jagd und die Unterhaltung im Tabakskollegium
fesselten den Kronprinzen nicht. Seine liebste Erholung fand er außer
bei den Büchern in der Musik. Bald trat deswegen ein schroffer Gegen-
satz zwischen Vater und Sohn hervor. Es verdroß den König, daß
Friedrich sich lau gegen den Religionsunterricht verhielt, noch mehr aber,
daß er die militärischen Übungen nicht mehr mit Lust und Liebe trieb.
Das war dem Vater ein Ärgernis, und oft sagte er: „Fritz ist ein Quer-
Pfeifer und Poet, er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir
meine ganze Arbeit verderben." Mit Kummer bemerkte der Vater, wie
die Neigungen seines Sohnes so verschieden von den seinigen waren. Er
sah seinen ganzen Erziehungsplan vereitelt und erblickte im Geiste seinen
Sohn als einen Schwächling auf dem Thron, der das zu Grunde richtete,
was er mit seiner Lebenskraft erbaut hatte. Gerechter Zorn ergriff den
König, als Friedrich Schulden machte und sich schlechten Umgang wählte.
Neuen Grund zu Ärgernissen bot die von England und der Königin
Sophie Dorothea lebhaft betriebene Heiratsangelegenheit. Es kam zu
höchst bedauerlichen Auftritten zwischen Vater und Sohn; der leidenschaft-
lich heftige König ließ sich sogar zu körperlichen Züchtigungen des längst
dem Knabenalter entwachsenen Sohnes hinreißen.
3. Friedrichs Flucht und innere Läuterung. Endlich faßte der Krön-
prinz den verzweifelten Entschluß, nach England zu entfliehen und zwar
auf einer Reife, die fein Vater mit ihm nach Süddeutschland unternahm
(1730), um die süddeutschen Fürsten zur Annahme der pragmatischen Sanktion
zu bewegen. Der Lieutenant von Katte von der Garde und der Lieutenant
von Keith in Wesel, seine Vertrauten, sollten ihm dabei behilflich sein.
Als er nach dem Dorfe Steinsfurt auf dem Wege von Heilbronn nach
Heidelberg kam, hielt ein ihm ergebener Page in der Nacht vom 4. zum
5. August Pferde zur Flucht bereit. Sein frühzeitiges Aufstehen wurde