Full text: Die Alte Geschichte (Teil 1)

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Sage, nach der Cyrus medischer Abkunft und ein Enkel des Astyages ge- 
Wesen sei. Die Sage lautet aber nach Herödöts Erzählung in der Haupt- 
sache folgendermaßen. Der Mederkönig Astyages hatte keine männliche Nach- 
kommenschaft, sondern nur eine Tochter, Mondäne. Ein träumte ihm, daß 
aus dem Schöße seiner Tochter ein Baum hervorwachse, dessen Schatten 
ganz Asien überdeckte. Die Traumdeuter deuteten den Traum auf einen 
Sohn der Mondäne, der einst Herr von ganz Asien werden würde. Da 
erschrak der König, er entfernte seine Tochter vom Hofe, schickte sie nach 
der Landschaft Persis und vermählte sie einem Perser von geringem An- 
sehen, Namens Kambyses. Astyages aber träumte den Traum zum andern- 
mal. Da ließ er seine Tochter an den Hof kommen, und als sie bald 
darauf einen Sohn gebar, befahl er dem Harpägus, seinem Verwandten 
und Vertrauten, das Knäblein zu töten. Dieser aber gedachte, daß 
Astyages alt und ohne Erben sei, daß das Reich einst an Mondäne fallen 
und diese den Tod ihres Sohnes an ihm rächen würde. So wollte er 
wenigstens die Schuld des Mordes auf einen andern wälzen. Er gab den 
Knaben einem Hirten, daß er es in der Wüste aussetze und umkommen 
lasse. Der Hirte aber ließ sich durch die Bitten seines mitleidigen Weibes 
bewegen, ihr eigenes, totgeborenes Kind an des Cyrus Statt auszusetzen, 
diesen dagegen als seinen Sohn zu erziehen. So wuchs Cyrus bis in sein 
zehntes Jahr unter den Hirten auf und wurde ein großer und schöner 
Knabe. Da geschah es, daß er in einem Knabenspiele zum König gewählt 
wurde. Nun bestimmte er jedem sein eigenes Geschäft. Die einen wählte 
er zu Lanzenträgern, die andern zu Thorwächtern; alle folgten seinen Ge- 
boten, nur der Sohn eines vornehmen Meders weigerte den Gehorsam. 
Und als ihn Cyrus ergreifen und mit Geißelhieben züchtigen ließ, eilte 
der Knabe nach der Stadt und erhob Klage bei seinem Vater. Dieser ging 
voll Zorn mit seinem Sohne zum Könige und erzählte die unwürdige 
Behandlung, die dieser von dem Knaben des Rinderhirten erhalten habe. 
Astyages beschied hierauf den Hirten mit dem Cyrus vor sich und fragte 
diesen, wie er es habe wagen können, den Sohn eines edlen Meders so 
schmählich zu behandeln? Cyrus aber antwortete: „Herr, dem ist nur sein 
Recht geschehen, habe ich darum Strafe verdient, siehe, hier bin ich." Als 
der Knabe so redete, erkannte ihn Astyages; denn die Züge des Gesichts 
bauchten ihm wie seine eigenen, und die Antwort war wie die eines Edlen. 
Er nahm den Hirten allein und brachte ihn durch Androhung von Martern 
zum Geständnis der Wahrheit. Nun warf er seinen ganzen Zorn auf 
Harpägus und beschloß, ihn schwer zu züchtigen. Er lud ihn zum Mahle, 
ließ ihm das Fleisch seines eigenen ermordeten Sohnes vorsetzen, und als
	        
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