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guter des Königs ober Kaisers auf keine Weise zu veräußern und vor
Gott unb Menschen unsträflich in dieser Welt zu wanbeln. Wenn du diese
Gebote ber ritterlichen Regel bemütig bewahrest unb, so viel an dir liegt,
eifrig erfüllest, so sei gewiß, baß du zeitliche Ehre hier auf Erben unb nach
diesem Leben die ewige Ruhe im Himmel erwerben wirst."
Hierauf legte der Kardinal die gefalteten Hände des Knappen in das
Meßbuch auf das verlesene Evangelium und sprach: „Willst du also die
Ritterwürde im Namen Gottes demütig empfangen und die Regel, welche
dir Wort für Wort vorgelegt worden, nach Kräften halten?" Der Knappe
antwortete: „Ja, ich will es!"
Darauf übergab der Herr Kardinal dem Knappen nachstehendes Ge-
löonis, und der Knappe las dasselbe laut vor allen Anwesenden ab, also:
„Ich, Wilhelm, Graf von Holland, des heiligen Reiches freier Lehnsmann,
gelobe eidlich die Beobachtung der ritterlichen Regel, im Beisein des Herrn
Peter, Kardinals und Legaten des päpstlichen Stuhles, bei dem heiligen
Evangelium, das ich mit meiner Hand berühre." Und ber Kardinal sprach
danach: „Dieses demütige Gelöbnis verhelfe dir zur wahren Vergebung
deiner Sünden. Amen."
Nachdem dieses also gesprochen worden war, gab der König von Böhmen
dem Knappen einen Schlag an den Hals unb sprach: „Zur Ehre bes all-
mächtigen Gottes nehme ich bich zum Ritter an unb empfange dich mit
Glückwunsch in unserer Genossenschaft. Aber gedenke, wie der Heiland ber
Welt vor Hannas, dem Hohenpriester, für dich geschlagen, vor Pilatus ver¬
spottet und gegeißelt und mit Dornen gekrönt, vor dem Könige Herodes
mit einem Mantel bekleidet und verhöhnt und vor allem Volke an das Kreuz
gehängt worden ist. Seiner Schmach eingedenk zu sein, rate ich dir, sein Kreuz
auf dich zu nehmen, heiße ich bich, seinen Tob zu rächen, mahne ich btch!"
Nachbem so alles feierlich vollzogen und auch die Messe gelesen war,
turnierte der neue Ritter unter dem Schalle der Posaunen und Pauken und Trom-
peten dreimal im Lanzenspiel gegen den Sohn des Königs von Böhmen und
beendete hierauf durch einen Schwertkampf seine Knappenlehrzeit. Darauf
bestand er noch einen Turnierkampf mit blinkenden Schwertern. Dann feierte
er mit großen Kosten ein prächtiges Hoffest bret Tage lang unb verteilte
dabei an die Anwesenden reiche Geschenke.
37. Der Mnsbeke.
Ein Gedicht in mittelhochdeutscher Sprache, verfaßt von einem bayrischen oder
vielleicht fränkischen Ritter, welches die Verpflichtungen, welche der Ritterstand seinen
Mitgliedern auferlegte, ausführlich darstellt. Es wurde im 13. Jahrhundert verfaßt
und führte auch den Namen: „Des Vaters Lehre." Das Wort Winsbeke ist vielleicht
von dem bayrischen Geschlechtsnamen derer von Wiedesbach abzuleiten.