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Diese Fürstin hatte den Geist eines großen Mannes und die Kenntnisse
eines Gelehrten; sie hielt es nicht einer Königin für unwürdig, einen
Philosophen hochzuachten. Es ist bekannt, daß dieser Philosoph Leibniz
war; und da diejenigen, denen der Himmel bevorzugte Seelen verliehen hat,
sich auf die Stufe der Fürsten erheben, würdigte sie Leibniz ihres Umganges.
Sie that noch mehr: sie schlug ihn als allein fähig vor, diese neue Akademie
zu gründen. Leibniz, der sozusagen mehr als eine Seele hatte, war wohl
würdig, einer Akademie vorzustehen, welche er nötigenfalls ganz allein ver-
treten haben würde. Er richtete vier Klassen ein: eine für Physik und
Medizin, die andere für Mathematik, die dritte für deutsche Sprache und
Altertumskunde und die vierte für orientalische Sprachen und Altertums-
künde. —
Die Universitäten gediehen in dieser Zeit. Halle und Frankfurt
hatten gelehrte Professoren: Thomasius, Gundling, Ludewig,
Wolfs und Stryke waren Männer ersten Ranges und hatten zahlreiche
Schüler. Wolff erläuterte das fein durchdachte System Leibnizens über die
Monaden. Über die Monaden sind die Metaphysiker und Mathematiker
Deutschlands in Streit geraten, und sie streiten jetzt noch über die Teilbarkeit
der Materie.
Nachdem Friedrich erwähnt hat, daß diese Zeit keinen guten Historiker hervor-
gebracht hat, fährt er fort:
Bei diesem Mangel eines guten Prosawerkes hatte Brandenburg
einen guten Dichter; es war der Herr von Canitz. Er lieferte eine
wohlgelungene Übersetzung mehrerer Briefe Boileaus; er ahmte Horaz nach
und schrieb einige durchaus eigenartige Werke. Er ist der Pope Deutsch¬
lands, er ist der geschmackvollste, der sorgfältigste und am wenigsten weit-
schweifige Dichter, der Verse in unserer Sprache gemacht hat. Herr von
Canitz hielt nicht, obgleich er einem berühmten Hause angehörte, die Aus-
Übung der Dichtung für standeswidrig; er pflegte sie, wie bereits erwähnt
wurde, mit Erfölg. Er bekleidete ein Hofamt und schöpfte aus dem
Sprachgebrauche der guten Gesellschaft die Feinheit und Anmut, welche an
seinem Stil gefällt.
35. Der preußische Staat unter Ariedrich Wilhetm I.
Gesammelte Werke Friedrichs des Großen. Französisch. Auswahl in Über-
tragung. Berlin 1837. S. 78 ff.
Der Staat veränderte unter Friedrich Wilhelm fast ganz und gar
seine Gestalt. Der Hof wurde verabschiedet, und die großen Gehälter
erlitten Schmälerungen; viele, die früher eine Kutsche gehalten hatten,
gingen jetzt zu Fuße, daher es im Volk hieß, der König hätte den Lahmen
die Beine wiedergegeben. Unter Friedrich I. war Berlin das nordische