Wilhelm I.: der deutsch-französische Krieg von 1870—1871. 177
seiner Gemahlin: „Was ich alles empfand, nachdem ich noch vor dreiJahren
Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht gesehen hatte, kann ich nicht
beschreiben." Sein erstes Telegramm am 2. September schloß mit den Worten:
„Welch eine Wendung durch Gottes Führung!" Dem Kaiser Napoleon
wurde das Schloß Wilhelmshöhe b?i Kassel zum Aufenthalt bestimmt. Auf fernen
Wunsch gab man ihm bis zur deutschen Grenze eine starke deutsche Bedeckung. 1
Die Kapitulation von Sedan, bis dahin die größte der2. Sept.
Weltgeschichte, wurde am 2. September abgeschlossen. Durch dieselbe
wurden 84 000 Mann kriegsgefangen, nachdem schon während der vorher-
gegangenen Kämpfe über 30 000 Mann getötet und gefangen genommen
und 15 000 Mann in Belgien aufgenommen und entwaffnet waren. Die
ganze Ausrüstung der Armee siel in die Hände der Deutschen. Die
Offiziere erhielten wegen bewiesener Tapferkeit auf ihr schriftliches Ehren-
wort, in diesem Kriege nicht wieder gegen Deutschland zu fechten, die
Freiheit und behielten ihre Waffen.
Nach dem Abschlüsse der Kapitulation dankte König Wilhelm der
braven Armee, fügte aber hinzu: „Wir müssen schlagfertig bleiben; aber
schon jetzt meinen Dank jedem, der ein Blatt zum Lorbeer- und Ruhmes-
kränze unseres Vaterlandes hinzugefügt."
4. Vergebliche Versuche der französischen Flotte. Die Franzosen
hatten den Seekrieg mit denselben kühnen Hoffnungen begonnen, wie den
Landkrieg, ohne auch nur den geringsten Erfolg zu erzielen. Schon in
der ersten Hälfte des Juli sollte aus Brest und Cherbourg 2 eine
Flotte mit einem Landungsheer nach der Nord- und Ostsee fahren. Man
hoffte auf den Anschluß Dänemarks und wollte durch eine Landung in
Westpreußen die dortige polnisch redende Bevölkerung zum Ausstaude
reizen. Alle diese Pläne zerrannen in nichts. Zum General-Gouverneur
der deutschen Küstenlande wurde General Vogel von Falkenstein,
zum Oberbefehlshaber der Küstentruppen der Großherzog von Meck¬
lenburg-Schwerin ernannt. Der Gouverneur forderte am 23. Juli
die Küstenbewohner zur Bildung einer freiwilligen Küstenwehr auf, indem
er sagte: „Bei einer eintretenden militärischen Abwehr dürft ihr nicht
fehlen. Jeder Franzmann, der Eure Küste betritt, sei Euch verfallen!"
So bildete sich aus Kriegeru und Bürgern die „Wacht am Meer."
Alle gefährdeten Punkte der Küsten wurden durch Befestigungen, durch
Torpedos 3 gesichert, die Seetonnen entfernt.
Die französische Flotte ging in der That am 24. Juli in See.
1 Napoleon begab sich nach seiner Freilassung (19. März 1871) zu seiner
Familie nach England, wo er am 9. Januar 1873 gestorben ist. Sein Sohn
LoniS Napoleon trat in die englische Armee ein und machte freiwillig den Feldzug
gegen die Zulu in Südafrika mit; von diesen wurde er erschlagen. (1879).
3 Brest und Cherbourg (fpr. Schärbur) sind französische Kriegshäfen;
Mer liegt an der Nordwestecke Frankreichs, dieser am Kanal, in der Normandie.
3 Torpedo ist ein auf den Grund des Wassers versenktes oder in passender
Tiefe schwimmendes Behältnis, Gefäß, ans Gußeisen, Holz n. s. w., mit einer
Sprengladung, deren Entzündung entweder durch bloße Berührung seitens des
feindlichen Schiffes ober ans ber Entfernung durch einen elektrischen Draht bewirkt
wird. Als Sprengmasfe bient meistens Pulver, 20—5000 Pfb.
Hoffmeyer und Hering, Hülfsbuch Iii. 12