Wilhelm I.: der deutsch-französische Krieg von 1870—1871. 181
Franktireurs gesäubert und die Belagerung von Belfort begonnen.
Nach dem kühnen Plane Gambettas sollte nun Bonrbaki mit über-
legenen Kräften Werder zurückschlagen, Belfort entsetzen und in
Süddeutschland einfallen. „Im Osten liegt die Rettung!" hieß es in
einer feierlichen Ankündigung. Da schlug Werder in den Tagen vom
15.—17. Januar die glorreiche Schlacht bei Belfort und zwang Bour-
baki zum Rückzüge. Kaiser Wilhelm schrieb dem Sieger: „Ihre Helden-
mütige, dreitägige, siegreiche Verteidigung Ihrer Position, eine belagerte
Festung im Rücken, ist eine der größten Waffenthaten aller Zeiten."
General Manteuffel übernahm die Verfolgung. Über die mit Schnee
und Eis bedeckten Juraberge jagte er die Feinde, die scharenweise der
Kälte und den Anstrengungen erlagen oder gefangen genommen wurden;
80 000 überschritten die Grenze der Schweiz, wo sie entwaffnet wurden;
schon am 16. Februar fiel Belfort.
Fast gleichzeitig war auch im Norden und Westen Frankreichs
die Entscheidung erfolgt. Große Beschwerden hatten die Truppen auch
hier zu überwinden: die heftigste Kälte wechselte mit Thanwetter und
Glatteis; dichter Nebel verhüllte meistens die Aussicht. Dennoch schlug
Prinz Friedrich Karl den General Chanzy bei le Mans (spr. le Mang)
am 12. Januar, und General Göben errang einen glänzenden Sieg bei
St. Qu entin (spr. ßäng Kängtäng) am 19. Januar über den General
Faidherbe (spr. Fäderb). So waren sämtliche französische Armeeen bis
auf wenige Reste vernichtet; nur Paris mußte noch genommen werden.
4. Wetagerung und Groöerung von H'aris. Die Belagerung
der Stadt Paris war von Anfang an mit Eifer betrieben: etwa
300 000 deutsche Krieger hatten sich um die Stadt verschanzt, wobei sie
fortwährend durch die feindliche« Geschütze bedroht waren. Schützen-
graben, Barrikaden und Verhaue entstanden in großer Zahl; die Gehöfte
und Dörfer nm Paris wurden möglichst stark befestigt und ganze Wald-
flächen, die das Schußfeld behinderten, niedergelegt; an höheren Punkten
errichtete man Beobachtnngsposten, die telegraphisch unter einander und
mit dem Hauptquartier verbunden waren.
Paris hielt sich unter dem General Trochn länger, als man er-
wartet hatte. Die Arbeiter dienten meist in der Nationalgarde und
hatten vorläufig ein behagliches Leben, weil die Regierung ihre Dienste
reichlich bezahlte und ihre Familien ernährte. Alle wollten „den Krieg
bis aufs äußerste." Die zahlreichen, zum Teil heftigen Ausfälle der
Eingeschlossenen wurden aber von den Deutschen mit großer Tapferkeit
zurückgewiesen. Vor Ende Dezember konnte man indessen mit dem
Bombardement der Stadt nicht beginnen, weil es an Belagernngs-
geschütz und Munition fehlte. Beides mußte auf Wagen von der letzten
Bahnstation noch 11 Meilen weiter geschafft werden. Es mußten 250
Belagerungsgeschütze und für jedes derselben 500 Schuß zur Stelle
sein, bevor man Paris mit Erfolg beschießen konnte. Da erschienen im
Dezember 1000 vierspännige Wagen aus Deutschland und halfen den
entscheidenden Angriff vollenden. Darauf wurde Paris einen Monat
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