30 Morgenländische Völker.
ihrem Lande Bruchsteine gänzlich fehlten, errichteten sie aus Holz und
gebrannten Steinen oder Ziegeln (1. Mos. 11, 3) ihre Bauwerke, die daher
freilich auch nicht dauerhaft waren. Erhalten sind uns nur Fnnda-
mente alter Tempel; in die Backsteine sind die Namen der Könige ein-
gegraben, welche den Bau ausgeführt haben. Die Tempel sind meistens
einfache, massiv aufgeführte Bauten mit vierseitiger Grundfläche; das
Innere^ besteht gewöhnlich aus getrockneten und durch einen Erdharz-
überguß (1. Mos. 11, 3) festverbundenen Backsteinen, die außen mit einer
Schicht gebräunter Ziegel bekleidet sind. In drei bis acht, nach oben
immer kleiner werdenden Stockwerken erheben sich die Tempel zu mächtiger
Höhe; im obersten Stockwerk befand sich das eigentliche Heiligtum. Die
Babylonier bauten vor allem große Tempel, die Assyrer große Paläste;
ein Riesenpalast in Ninive enthielt 31 Höfe und 225 Thore und Ein-
gänge (H. Fig. 7). Aber auch diese sind, obwohl in Assyrien Bruch-
steine leicht zu beschaffen gewesen wären, fast nur aus Ziegeln aufgeführt;
nur zu den Wänden und Bekleidungen wurden Kalksteinplatten verwandt.
Weder Vogenbau, noch Stein- oder Ziegelsäule findet sich bei den
Assyrern. Die Balken der Decken lagen auf beiden Wänden; daher
haben die Säle bei geringer Breite eine unverhältnismäßige Länge. Vor
den Eingängen der Paläste lagen meistens paarweise geflügelte Stiere
oder Löwen mit einem Menschenhaupte. In der Bildhauerkunst waren
Babylonier und Assyrer nicht weit fortgeschritten; das Gesamtbild ist oft
lebensvoll, aber die Ausführung im einzelnen mangelhaft, Muskeln und
Haare treten meistens unnatürlich hervor.
Die jetzt mit Schutt bedeckten Ruinen der altbabylonischen Städte
sind für uns die wichtigste Quelle für die assyrisch-babylouifche Geschichte;
denn in denselben befinden sich zahllose Platten und Cylinder, welche mit
Inschriften bedeckt sind, deren Entzifferung jetzt möglich ist. Die Schrift
der Babylonier war ursprünglich eine Bilderschrift. Da man aber die
Bilder mit einem Griffel in weiche Thontafeln eingrub, die dann ge¬
trocknet oder gebrannt wurden, so erhielten dieselben eine eckige Gestalt
und lösten sich bald in eine Zusammenstellung von senkrechten, wagerechten
und schrägen Keilen und Winkeln auf. Daher heißt die Schrift Keil-
schrist (H. Fig. 5). Sie enthält nicht Zeichen für einzelne Buchstaben,
sondern für häufig wiederkehrende Wörter,' wie Gott, König u. s. w., nie
für einzelne Silben. Die Erlernung der Schreibkunst war schwierig und
erforderte jahrelange Übung. Staatsakten, schriftliche Verträge zc. wurden
meistens von berufsmäßigen Schreibern angefertigt; die Pflege der Ge-
lehrsamkeit aber lag ausschließlich in den Händen der Priester. In den
Haupttempeln und Palästen befanden sich große Bibliotheken, deren Werke
aus einer Reihe beschriebener Thonplatten bestanden und nur den Priestern
und Staatsbeamten zur Benutzung gestattet waren.