Das Zeitalter der Revolutionen 59
überdies auch Narben auf der Brust. Das sind meine Ahnenbilder; das
ist mein Adel. Meine Worte sind nicht zierlich gedrechselt; auch ist mir
die griechische Literatur nicht bekannt; ich hatte wenig Lust, sie kennen zu
lernen, da ich sah, daß sie die Lehrer derselben nicht mannhaft zu machen
vermochte. Aber das habe ich gelernt, was der Republik am zuträglichsten
ist: den Feind schlagen, den Posten behaupten, Sonnenbrand und Winter¬
kälte gleichmäßig ertragen, auf harter Erde schlafen und gleichzeitig Mangel
und Anstrengung auszuhalten."
3. Die Epoche des Pompejus und des Cäsar wird uns am klarsten
bei der Lektüre der Reden und Briefe Ciceros. Auch sein Charakter¬
bild schwankt in der Geschichte. Rotteck sagt über ihn (II, S. 209):
„Cicero, ein Mann, dessen Name allen Freunden des Guten und Schönen
teuer ist, wurde zu den höchsten Staatswürden Roms weder durch Gunst
noch Gewalt, noch Bestechung erhoben, sondern einzig durch seinen persön¬
lichen Wert. Auch sah man noch selten, wie bei ihm, so herrliche Geistes¬
anlagen mit so trefflicher Ausbildung und mit so edler, so rastloser An¬
wendung vereinbart. Den glänzenden Mut eines Pompejus, die stoische
Würde eines Cato hatte er nicht; aber er war weise und tugendhaft und
liebte innig sein Vaterland und das Recht. Wo diesen Gefahr dräute,
da wurde er, trotz seiner natürlichen Schüchternheit, ein Held, und kräftiger
als durch den Schrecken der Waffen donnerte er durch seine Beredsam¬
keit die Frevler nieder. Die Wissenschaften, deren Reich er in Latium
befestigte, werden doppelt liebenswürdig durch ihn, und gerne vergessen
wir über so edlen Zügen die kleinen Schwächen der Eitelkeit, Ruhmredig¬
keit, des Wankelmuts, die er so unbefangen in seinen Schriften verrät,
und jene politischen Mißgriffe, wofür er selbst am meisten büßte." Dem
parteipolitisch unbefangenen Forscher entrollt sich ein anderes Bild.
Mommsen urteilt (III, 619ff): „Als Staatsmann ohne Einsicht, Ansicht
und Absicht, hat er nacheinander als Demokrat, als Aristokrat und als
Werkzeug des Monarchen figuriert und ist nie mehr gewesen als ein kurz¬
sichtiger Egoist. Gegen Scheinangriffe war er gewaltig, und Mauern von
Pappe hat er viele mit Geprassel eingerannt. In literarischer Beziehung
ist er der Schöpfer der modernen lateinischen Prosa. Als Schriftsteller
dagegen steht er vollkommen ebenso tief wie als Staatsmann. Er war
in der Tat so durchaus Psuscher, daß es ziemlich einerlei war, welchen
Acker er pflügte, eine Journalistennatur im schlechtesten Sinne des Wortes,
an Worten, wie er selbst sagt, überreich, an Gedanken über alle Begriffe
arm. — Die gräßliche Gedankenöde wird jeden Leser der ciceronianischen
Reden von Herz und Verstand empören." Die berühmten katilinarischen
Reden sind in erster Linie zum Lesen zu empfehlen, wobei man sich ver¬
gegenwärtigen wolle, daß derselbe Cicero kurz vorher Catilina verteidigt,