Full text: [Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband])

Wodan oder Odin. 
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auf der Welt vermag Odins Runenzauber zu widerstehen. Durch 
diesen Runenzauber ist Odin allmächtig. Daher ist es auch Wodan, 
der durch seine Zauberkunst in dem uralten Merseburger Zauberspruche 
Balders Roß heilt, dessen verrenkten Fuß andere Gottheiten vergeblich 
zu heilen suchen. Die Kunst, Runen zu ritzen, lehrt Odin die Götter 
und seine Lieblinge unter den Menschen. 
g) Wodan als Wanderer. 
Sein unablässiges Forschen nach verborgener Weisheit treibt Wodan 
zu mannigfachen Wanderungen. Zn verhüllter Gestalt, alles Glanzes 
seiner göttlichen Erscheinung bar, als Greis von hohem Wüchse, mit 
dichtem Laupthaar und lang herabwallendem, greisem Bart, seine Ein¬ 
äugigkeit verdeckend durch den tief ins Gesicht gedrückten, breitrandigen 
Schlapphut, umwallt von weitem, blauem, sieckigem Mantel, so hat er, 
ein unermüdlicher Wanderer, alle neun Welten durchwandert, der Riesen 
Leimat, die Menschenerde, die dunkeln Tiefen der Berge, wo weise 
Zwerge stillgeschäftig wirken, ja bis zum Saale der schicksalskundigen 
Nornen tief unter der Wurzel der Weltesche, selbst bis zu der schau¬ 
rigen, seuchtkalten Nebelwelt, wo Lel, die Todesgöttin, haust, ist der 
nie müde Schritt des unerschrockenen Wanderers vorgedrungen; überall 
forscht er nach Kunde von verborgener Weisheit, nach genaueren Auf¬ 
schlüssen über das Geschick, das am Ende der Zeiten den Göttern be¬ 
stimmt ist. 
Doch nicht nur der unstillbare Wissensdrang des „grübelnden Äsen" 
ist es, der den Gott zu diesen Wanderungen bewegt, sondern auch seine 
rege Fürsorge für seine Schützlinge, die Menschen. Meist zwar thront 
Allvater Odin auf seinem goldenen Lochsitz, der hochragenden Warte, 
die ihm weiten Blick über alle Welten gestattet, und lenkt von da aus 
in fürsorglicher Weisheit der Völker Geschicke; nur Frigg, seine Ge¬ 
mahlin, teilt diesen Sitz mit ihm; keine andere Gottheit darf ihn be¬ 
steigen. Gar oft aber verläßt er seinen himmlischen Thron, um uner¬ 
kannt, in unscheinbarer Verhüllung, die Menschen heimzusuchen, der 
einzelnen Sinn und Lerz zu prüfen. Als müder, hungriger und dür¬ 
stender Wanderer nimmt er zuweilen das Gastrecht in Anspruch, straft 
den Ungastlichen, belohnt den Gastlichen. 
Auch am Limmel wandert Wodan, der Luft- und Limmelsgott. 
Die Milchstraße ist Wodans Straße, das Sternbild des Wagens (oder 
des Großen Bären) heißt Wodans Wagen. Auf der Milchstraße zieht 
er einher mit dem wütenden Leere, der wilden Zagd. 
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