Sicilien.
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und Märtyrerinnen, diese heilen Zahnweh, andere Kopfschmerzen
und alle übrige Leibesgebrechen. Solcher Reliquien von Kleidern
giebt cs so viele, daß man glauben sollte, alle diese Heiligen mü߬
ten eine sehr starke Garderobe gehabt haben. In dem Innern
der meisten Mönchswohnungen herrscht eine ungeheure Unordnung
und Unreinlichkeit."
„Bei heißen Sommertagen, wo in des Abends Kühle viele
Tausende der Bewohner dieser Stadt in den Straßen lust¬
wandeln, erstaunt man, wenn man eine Dame oder einen
Herrn an einer rohen Gurke, an Kohlrabi, an einem Sallat-
kopf nagen, oder ein Bündel Radischcn oder eine gekochte Ar¬
tischocke verzehren sieht. Unsern Damen mit ihrer verwöhnten
Zunge möchten diese Leckerbissen wohl sehr ungenießbar vorkom¬
men; aber dort ist das gar nichts Neties. Der Südländer liebt
diese Speisen außerordentlich, und gewiß weiß niemand in ganz
Sicilien, wie man einen deutschen Gurkensalat zurichtet. Als
wir einst in einem Speisehause Gurkensalat bestellten, trug der
Wirth ungeschälte Gurken, in vier Stücke zerschnitten, mit Essig
und Oel begossen auf. Unwillig darüber beschrieben wir ihin, wie
er die Gurken zurichten sollte; er aber sagte gerade heraus, daß
er solche porceriu (Sauerei) in seinem Leben nicht gemacht habe
und auch nicht machen werde. Die Lieblingskost sind Macaro-
n i; diese zieht der Italiener allen andern Speisen vor. Vorneh¬
me, Tagelöhner, Lazzaroni, kurz alle sinden gleichen Geschmack
daran. Man findet sie in hunderterlei Formen, bald in kleinen
und größeren Sternchen, schneckenförmig, in Faden so dünn als
ein Haar bis zur Stärke eines Daumens. Die langen fadcnarti-
gen sind die beliebtesten. In jedem Wirthshause dampft von früh
bis in die Nacht der Wasserkessel. Man kauft sich nach Belieben
Maearoni, geht in die erste Schenke, steckt sie, ohne weiter zu
fragen, in den Kessel, wenn derselbe nicht besetzt ist, verlangt
eine Schüssel, und geht einstweilen nach Parmesankäse. Unterdest
sind die Maearoni weich gekocht; man legt eine Schicht in die
Schüssel, reibt mit einem nie fehlenden Reibeisen Käse darauf,
dann wieder eine Schicht Maearoni, wieder Käse, und so fort
bis ans Ende. Hierauf wird mit den Fingern zugelangt, und je¬
des Mal das, was man zwischen den Fingern hält, so hoch ge¬
halten, daß die Maearoni, die sehr lang sind, den Mund errei¬
chen. Ein anderes Lieblingsgericht der Sieilianer ist die india¬
nische Feige, die hier in großer Menge wächst. Man bedient
sich dieses Gewächses zu Verzäunungen; manche Blätter desselben
erhalten eine Größe von Z — 4 Fuß itn Durchmesser. Auf diesen
Blättern sitzt eine ungeheure Anzahl der Stachelfeigc; sie haben die
Größe und Farbe einer Kastanie. Ihre Schale hat unzählige
kleine Stacheln, die so scharf und spitzig sind, daß sic bei der
geringsten Berührung in die Oberfläche der Haut eindringen und
festsitzen /bleiben. Oeffnct man, aber behutsam die Schale, so zeigt