Full text: Deutsche Geschichte von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des Mittelalters (Teil 1)

IV 
Vorwort zur ersten Auflage. 
und die Möglichkeit eines sowohl sprachlich wie sachlich korrekten freien 
Vortrags* gewähren soll. 
Bei der Auswahl des Stoffes war der Gesichtspunkt maßgebend, 
den ein hervorragender Schulmann 2 mit den Worten gekennzeichnet hat, 
„daß die großen Menschen und die großen Vorgänge aller Zeiten 
unter allen Umständen im Vordergründe bleiben müssen". Die Kultur¬ 
geschichte mußte sich daher mit der zweiten Stelle begnügen, ohne indes 
zu der Rolle des Aschenbrödels herabgedrückt zu werden, die sie trotz der 
anerkannten Forderungen der heutigen Pädagogik und sehr im Gegensatz 
zu der Behandlung in den ausländischen Schulbüchern noch immer in den 
meisten deutschen Leitfäden zu spielen verurteilt ist. Um für sie den nötigen 
Raum zu schaffen und das Gedächtnis der Jugend nicht zu sehr zu 
belasten, mußte mancher unbedeutende Name und mancher 
untergeordnete Vorgang der politischen Geschichte das Feld 
räumen. Diese Ausgleichung machte es möglich, den Umfang des Buches 
in erträglichen Grenzen zu halten. Im übrigen wolle man bedenken, daß 
nicht so sehr die Summe des dargebotene» Stoffes, als vielmehr die Art 
der Darbietung das Maß der Gedächtnisarbeit bestimmt3, und daß es 
aus jeden Fall ein unschätzbarer Gewinn ist, wenn der Lehrer nicht ge¬ 
zwungen wird, durch zeitraubende und zu falschem Nachschreiben führende 
Diktate die Lücken des Lehrbuches auszufüllen oder dessen wortkarge, 
unverständliche Andeutungen zu ergänzen. Bei besondern Verhältnissen 
(schlechten Schüler-Jahrgängen u. dgl.) möge man das naheliegende Aus¬ 
kunstsmittel ergreifen, das, was unbedingt gelernt werden soll, in ähnlicher 
Weise zu bezeichnen, wie dies bei dem sprachlichen Unterricht ganz allgemein 
an der Hand eines Normalexeinplars geschieht. 
Auf die Anordnung des Stoffes wirkte besonders die Erwägung 
ein, daß es vor allem darauf ankomme, dem Schüler ein klares Bild 
unserer national-politischen Entwicklung zu geben. Er soll 
sehen, wie das Königtum die zersplitterten Kräfte unseres Volkes gesammelt, 
wie dann das Kaisertum den Deutscheu den ersten Rang unter den Völkern 
Enropas verschafft, und wie endlich nach dem Zerfall der alten Staats¬ 
ordnung und dem Verlust der alten Macht und Herrlichkeit ein kräftiges 
Herrscherhaus die Führung der Nation übernommen und ihr von neuem 
1 Vgl. die preußischen Lehrpläne vom 6. Januar 1892, S. 45: „Der münd¬ 
liche freie Vortrag der Schüler muß in dem Geschichtsunterricht besonders geübt 
werden." 
2 W. Münch, Neue pädagogische Beiträge S. 109. 
3 Es ist nichts als Selbsttäuschung, wenn inan glaubt, durch möglichst enge 
Znsammendrängung des Stoffes die Arbeit des Schülers zu erleichtern.
	        
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