Full text: Deutsche Geschichte (Teil 3)

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bunden. Den Leuten dort war es nun möglich, ihre Erzeugnisse zu besseren 
Preisen abzusetzen. In vielen Gegenden, die noch keine Industrie hatten, 
entstanden Fabriken, die der Bevölkerung Verdienst gewährten. Zugleich 
aber werfen die Eisenbahnen für den Staat einen bedeutenden Gewinn ab. 
Lange war in Deutschland der Kanalbau vernachlässigt worden. 
Jetzt suchte mau diesen Fehler wieder gut zu machen. Es begann der Bau 
des Kaiser-Wilhelm-Kanals, der Nord- und Ostsee verbindet und auch 
für unsere Kriegsflotte von der größten Wichtigkeit ist. Ebenso nahm man 
den Dortmund-Ems-Kanal in Angriff; er ist nur der Anfang eines 
großen Mittellandkanals, der vom Rhein zur Elbe führen soll. 
7. Industrie und Handel. Unter dem Schutze des Reiches wuchsen 
Industrie und Handel schnell empor. Die deutschen Fabriken lieferten 
gute und billige Erzeugnisse. Bald konnten sie sich sogar getrost mit den 
englischen messen. Der deutsche Handel breitete sich über die ganze Welt 
aus. Der deutsche Kaufmann wußte sich aber auch im fernsten Ausland 
sicher; denn das Reich hat in den Hauptstädten der wichtigsten Länder Bot- 
schafter und Gesandte, außerdem in allen Großstädten der Erde Konsuln. 
Sie stehen ihren Landsleuten mit Rat und Tat bei, schützen sie in Gefahr 
und treten für sie ein, wenn ihnen Unrecht geschieht. 
8. Die Fürsorge des Kaisers für den arbeitenden Stand. Die arbeitende 
Bevölkerung war vielfach mit ihren Verhältnissen unzufrieden. Namentlich 
die Fabrikarbeiter hatten zu klagen; denn es gab Betriebe, die ihren Leuten 
wahre Hungerlöhne zahlten, um hohe Gewinne zu erzielen. Darum entstand bei 
vielen ein tiefer Groll gegen den Staat. Ihrer Meinung nach war er wert, 
so rasch wie möglich unterzugehen. Einzelne wollten den Umsturz damit 
beginnen, daß sie die Staatsoberhäupter mit Gewalt beseitigten. Nicht einmal 
vor der ehrwürdigen Person des greisen Kaisers Wilhelm machten sie Halt. 
Zweimal wagten sie im Sommer des Jahres 1878 den Versuch, ihn aus 
dem Wege zu räumen. Das erste Attentat mißlang; beim zweiten wurde der 
Herrscher durch Schrotschüsse schwer verletzt und monatelang ans Krankenlager 
gefesselt. 
Trotz dieser trüben Erlebnisse wurde Kaiser Wilhelm nicht verbittert. 
Er erkannte deutlich, daß viele Forderungen der Arbeiter berechtigt waren. 
Nach seinem Willen sollten sie in jeder Lage des Lebens vor Not gesichert 
werden. So entstand 1883 das Krankenversicherungsgesetz, das sich 
des kranken Arbeiters annimmt, und 1885 das Unfallversicherungs¬ 
gesetz, das dem Arbeiter dann zugute kommt, wenn ihm in feinem Berufe 
ein Unfall zustößt, an dem er keine Schuld trägt. Im Jahre 1889 begann 
die Beratung eines dritten Gesetzes, das den Arbeiter im Alter versorgen 
sollte oder dann, wenn seine Kraft sich vor der Zeit abnutzt. Die Voll¬ 
endung aber erlebte der Kaiser nicht mehr. 
Man nennt diese Art Gesetzgebung die soziale. In ihr ist Deutsch¬ 
land allen Ländern der Welt vorangegangen. 
9. Die Gründung von Kolonien. Da unsere Bevölkerung ständig 
wächst, ist eine Versorgung des Überschusses nötig. Sie kann 
nur dadurch erreicht werden, daß man mehr Arbeitsgelegenheit schafft. In 
früheren Zeiten kümmerten sich die Obrigkeiten darum gar nicht. Die Folge 
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