Full text: Brandenburgisch-preußische Geschichte in Verbindung mit der neueren deutschen Geschichte (H. 4 = Kl. 2)

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Reichsverfassung. 
und das Reich löste sich in einzelne Staaten auf. Diese bildeten seit dem Wiener 
Kongreß einen Staatenbund, den Deutschen Bund. - Ruch das neue Deutsche Reich 
tft nicht ein Einheitsstaat, wie z. B. England. Frankreich und Rußland? denn die 
einzelnen Reichsteile sind selbständige Staaten geblieben. Das Reich ist aber auch 
fein bloßer Staatenbund- denn die Fürsten haben dem Kaiser als dem Reichs- 
Oberhaupt wichtige hoheitsrechte übertragen. Das Reich ist ein Bundesstaat. Es 
ist ..die umfassende Wölbung, unter der die einzelnen Staaten in ihrer Gesamtheit 
wohnen" (Bismarck). 
Die Reichsgewalt. Sie verteilt sich auf den Kaiser, den Bundesrat und 
den Reichstag. 
„Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrat und den 
Reichstag." 
1. Deutscher Kaiser (nicht „Kaiser von Deutschland"!) ist immer der König 
von Preußen; die Kaiserwürde ist also erblich. Der Kaiser 
3. vertritt das Reich nach außen. Er erklärt für das Reich den Krieg, in 
der Regel nur unter Zustimmung des Bundesrates, doch bei plötzlicher (Befahr auch 
aus eigener macht; er schließt Frieden, schließt Bündnisse und Verträge mit außer, 
deutschen Staaten. Der Kaiser 
b. übt wichtige hoheitsrechte im Reiche selbst aus. (Er ist Bundesfeldherr 
des deutschen Heeres und der Oberbefehlshaber der gesamten deutschen Seemacht. 
„Dem Kaiser steht es zu, den Bundesrat und den Reichstag zu berufen, zu 
eröffnen, zu vertagen und zu schließen." 
2. Der Bundesrat ist die höchste Reichsbehörde. Er besteht aus 58 Vertretern 
der einzelnen Bundesstaaten. Preußen stehen 17 Stimmen zu. Die übrigen Stimmen 
verteilen sich ungefähr nach der Größe der Gebiete auf die übrigen Bundesglieder. 
(3u den ursprünglichen 58 Stimmen traten i. I. 1911 noch 5 Stimmen für die 
Reichslande.) 
Den Vorsitz im Bundesrate führt der vom Kaiser ernannte Reichskanzler; er ist 
der höchste Beamte des Reichs. 
3. Der Reichstag besteht aus 397 Mitgliedern (die Bevölkerung des Reiches 
zählte damals rund 40 Millionen, und auf je 100 000 Seelen kam ein Abgeordneter). 
Sie werden auf je 5 3ahre neu gewählt. Die Wahl ist allgemein; d. h. alle über 
25 Jahre alten Staatsbürger wählen. Es herrscht das gleiche Wahlrecht; d. h. jeder¬ 
mann ohne Unterschied hat nur 1 Stimme abzugeben. Die Wahl erfolgt direkt; d. h. 
die Wähler stimmen nicht erst „für Wahlmänner" (f. S. 89). sondern bezeichnen un¬ 
mittelbar den „Kandidaten", welchen sie wählen wollen. Die Wahl ist geheim; d. h. 
man wirft einen Stimmzettel in die Wahlurne, und es bleibt geheim, wen man ge¬ 
wählt hat. 
Die Verwaltung des Reiches. 
Im Königreiche Preußen sind 9 Minister die höchsten Beamten. (Einer unter 
ihnen (der Ministerpräsident) führt den Vorsitz. Bei wichtigen Fragen tritt das ganze 
Ministerium zur Beratung zusammen, und bei der Rbstimmung entscheidet die Stimmen-
	        
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