Full text: Geschichtliches Lesebuch

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um so schneller ließ der Großvezier einen Sturm dem anderen, einen 
Minenangriff dem anderen folgen, um der kaum noch widerstands¬ 
fähigen Stadt doch noch Herr zu werden, ehe das Christenheer zum 
Entsatz herbeikam. 
Endlich verkündeten Signale vom Kahlenberge herab, daß die 
Hilfe nahe. Nach einem letzten vergeblichen Sturme der Janitscharen 
am 9. September war es mit den Angriffen zu Ende. Kara Mustapha 
hatte sich selbst gegen einen mächtigen Feind zu verteidigen. Der 
Herzog Karl von Lothringen hatte während dieser langen erwartungs¬ 
vollen Wochen manche nicht unglückliche Zusammenstöße mit den 
Türken gehabt. Aber eine Entscheidung konnte nicht herbeigeführt 
werden, ehe sich Karl nicht mit den heranziehenden Bundesgenossen 
vereinigt hatte. Zuerst trafen die Hilfstruppen aus dem Reiche ein, 
zuletzt das polnische Heer unter Johann Sobieski. Es waren nicht 
40000 Mann, wie in dem Vertrage versprochen; die Angaben über die 
Zahl schwanken; es scheint, daß Sobieski höchstens 24 000 Mann 
hatte, als sich auf dem weiten Blachfeld von Tuln, Nibelungischen 
Angedenkens, das gesamte Christenheer vereinigte. Dasselbe zählte 
etwa 84000 Mann, das Türkenheer belief sich nach starken Verlusten, 
die es erlitten, vermutlich auf 100 000 Mann. Im abendländischen 
Heere hatte man sich dahin geeinigt, daß dem Könige von Polen die 
Ehre des Oberbefehls überlassen werde. Am Morgen des 12. September 
standen sich die beiden Heere zur Entscheidungsschlacht gegenüber, 
unmittelbar vor der belagerten Stadt, von deren Wällen und Türmen, 
die Einwohner spannungsvoll das Wogen des blutigen Kriegsspiels 
beobachteten. Es war eine heiße Schlacht, die von früher Morgen¬ 
stunde bis zur sinkenden Nacht dauerte. Allmählich erlahmte jedoch 
die Widerstandskraft der Türken, um 6 Uhr war die Schlacht beendet, 
und das Türkenheer befand sich in stürmischer Flucht nach der ungar¬ 
ischen Grenze hin. 
So war Wien befreit, und das Selbstgefühl des deutschen Volkes 
konnte sich wieder heben. Es hatte sich gezeigt, was gut geführte 
abendländische, besonders deutsche Truppen auch gegen türkische 
Überzahl vermochten. 
Prinz Eugen. Der Kampf gegen die Türken war jedoch mit 
der Schlacht bei Wien nicht beendet; er wurde von Österreich fort¬ 
geführt, jahrzehntelang, und trotz mancher Bedrängnis und Not blieb 
Österreich schließlich Sieger; die Türken wurden völlig aus Ungarn 
und Siebenbürgen hinausgedrängt. Im Verlaufe dieser langen und 
ruhmvollen Türkenkriege entstand unter den deutschen, ungarischen 
und slavischen Kampfgenossen das Bewußtsein, daß man zusammen¬ 
gehöre; jene Kriege legten den Grund zu einem einheitlichen öster¬ 
reichisch-ungarischen Staate. Unter den Feldherren, die sich in diesem 
Türkenkriege mit Ruhm bedeckten, ragt vor allen übrigen der Prinz 
Eugen von Savoyen hervor. Er war ein Franzose von Geburt. An Ge¬ 
stalt unansehnlich, wurde er von Ludwig XIV. mit Spott zurückgewiesen, 
als er sich von diesem ein Regiment ausbat. Als sich 1683 die Türken 
der Stadt Wien näherten, trat er in kaiserliche Dienste. 1697 führte 
er zum ersten Male den Oberbefehl gegen die Osmanen, und dann hat
	        
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