Full text: Geschichtliches Lesebuch

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trag zustande, durch welchen jede der beiden Mächte sich verpflichtete 
im Falle eines feindlichen Angriffs der anderen mit 24000 Mann 
beizustehen. 
Der Kurfürst von Sachsen, als August III. zugleich König von 
Polen, und sein Minister Brühl wußten um die feindseligen Pläne 
gegen Friedrich, wennschon Sachsen zu den Vereinbarungen der 
Machte nicht hinzugezogen worden war. Sachsen sollte, wie man in 
Wien und Petersburg erwartete, erst dann für die gemeinsame Sache 
eintreten, „wenn der Ritter im Sattel wanke“. Aber im geheimen 
wurde von Sachsen aus gegen den verhaßten Nachbar gehetzt und 
gewühlt; man hoffte dort, daß in dem bevorstehenden Kampfe Branden¬ 
burg unterliegen und Sachsen dann einen nicht geringen Zuwachs an 
Land und Macht erhalten werde. 
Durch Verrat hatte Friedrich erfahren, daß die übrigen Mächte 
etwas gegen ihn im Schilde führten, und er war entschlossen, durch 
unverzügliches Vorgehen zu verhindern, daß die große Gefahr noch 
großer oder gar unüberwindlich werde. Die Verschwörung, meinte 
er, sei da; vielleicht werde ein erfolgreicher Angriff sie wieder zer¬ 
teilen. Werde das Haupt der Verschwörung, Österreich, derart ge¬ 
troffen, daß ihm die Fortführung des Kampfes im nächsten Jahre 
unmöglich falle, so würde den Verbündeten bei der Aussicht, die 
ganze Last auf die eigenen Schultern nehmen zu müssen, die Lust 
am Kriege vergehen. Im August 1756 überschritten die Preußen 
die sächsische Grenze, und Friedrich besetzte das ganze Kurfürsten¬ 
tum. Die sächsischen Truppen mußten sich bei Pirna ergeben. Der 
Kurfürst und sein Minister Brühl verließen das Land vertragsmäßig 
und begaben sich nach Polen. 
Das Vorgehen Friedrichs erregte an allen Höfen, am Reichstage 
und in der Presse einen Sturm der Entrüstung. Aber auf den König 
machte das nicht den mindesten Eindruck. ,,Was hat es denn eigentlich 
mit dem schrecklichen Worte Angreifer auf sich?“ schrieb er später. 
„Es ist eine Vogelscheuche, mit der man nur Feiglingen Angst ein¬ 
jagt. Besorgnis aber war hier nicht am Platze, in einer Lage, in der 
das Heil des Staates auf dem Spiele stand. Der wahre Angreifer ist 
ohne Zweifel der, welcher den ändern zwingt, sich zu bewaffnen und 
ihm durch einen minder schwierigen Krieg, der einen gefahrvolleren 
verhütet, zuvorzukommen. Mochten schließlich die Feinde des Königs 
ihn des Friedensbruches anklagen oder nicht, es kam auf dasselbe 
heraus und änderte am Kern der Lage nichts; denn die Verschwörung 
der Mächte Europas gegen Preußen war fix und fertig. Die Kaiserin- 
Königin, die Kaiserin, die Könige von Frankreich und Polen waren 
einig, so daß der König weder einen Freund weniger, noch einen Feind 
mehr zu erwarten hatte. Schließlich handelte sich’s um das Wohl des 
Staates, um den Bestand des Hauses Brandenburg; wäre es nicht in 
einem so ernsten, so folgeschweren Augenblick ein unverzeihlicher 
politischer Fehler gewesen, sich mit leeren Förmlichkeiten aufzuhalten, 
von denen man sich im gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht entfernen 
soll, aber denen man sich nicht unterwerfen darf in außerordentlichen 
Fällen, wo Unschlüssigkeit und Langsamkeit alles verdorben hätten, und
	        
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