Full text: Geschichtliches Lesebuch

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Und derselbe Mut, dieselbe Entschlossenheit und Zuversicht wäh¬ 
rend des ganzen Krieges. Dazu kam, daß Friedrich ein großer Feld¬ 
herr war. Gegner haben ihm freilich vorgeworfen, er habe im Kriege 
immer nur sich schlagen wollen; aber dieser Vorwurf ist nicht gerecht¬ 
fertigt. Wohl war Friedrich angriffslustig. Er meinte, „daß wahre 
Kriege kurtz und vives sein müßten, daß diejenigen, welche preußische 
Armeen kommandieren, obwohl klüglich und vorsichtig, die Sache zu 
dezidieren suchen müßten“. Fast alle seine Schlachten waren als An¬ 
griffsschlachten geplant und angelegt. Aber ebenso geschickt wie im 
Angriff zeigte er sich auch, wenn es galt, seine Truppen der feind¬ 
lichen Übermacht zu entziehen oder sich zu verteidigen'. Er verstand 
eben immer aufs trefflichste das zu tun, was die Umstände gerade er¬ 
forderten. — Den Höhepunkt seiner kriegerischen Laufbahn bezeichnet 
die Schlacht bei Leuthen im Jahre 1757. Der Umfang dieses 
Buches verbietet es, auf diese Schlacht so genau einzugehen, daß der 
Leser wirklich einen klaren Einblick erhielte; sie kann hier nur ge¬ 
nannt werden. Napoleon erklärte den Sieg bei Leuthen für ein Meister¬ 
werk, das allein genügen würde, um Friedrich unsterblich zu machen 
und ihm einen Platz unter den größten Feldherrn aller Zeiten an¬ 
zuweisen. 
Zum Glück besaß der große Feldherr auch ein tüchtiges Heer. Er 
hatte dasselbe vom Vater im besten Zustande schon geerbt; aber er 
selber war auch seit dem zweiten schlesischen Kriege unablässig be¬ 
müht gewesen, die Tüchtigkeit des preußischen Heeres noch zu stei¬ 
gern. In einer neuen Schlachtordnung, der schrägen, hoffte er ein 
Mittel gefunden zu haben, auch einen überlegenen Feind von der 
Flanke her aufrollen und niederwerfen zu können. Bei dieser Schlacht¬ 
ordnung stellte er seine Soldaten in drei Treffen auf, von denen jedes 
hintere das vordere an der einen Seite überragte, so daß der angrei¬ 
fende Flügel verlängert war und den Feind von der Seite her umgehen 
konnte. Für die Eigenart Friedrichs ist es bezeichnend, daß er auch 
bei der Ausbildung seiner Truppen immer wieder darauf aufmerksam 
machte, der Soldat müsse angreifen. Besonders sollte die Reiterei 
nicht Zurückbleiben. Er verbot seinen Reiteroffizieren bei infamer 
Kassation, sich ihrer Tage in einer Attacke vom Feinde attackieren zu 
lassen, sondern die Preußen sollen allemal den Feind attackieren. Wie 
der Blitz aus der Wolkenhülle sollten sie mit ihren Geschwadern über 
den Feind herfallen. 
Aber im Laufe der Jahre verschlechterte sich die Waffe des 
Königs in empfindlicher Weise. Das zeigte sich schon 1759- Von den 
30 000 Rekruten, die er damals brauchte, konnte er nur ein Drittel unter 
den Bauern seines eigenen Landes ausheben; zwei Drittel mußten ge¬ 
wonnen werden durch zwangsweise Aushebungen im Sachsen, Anhalt, 
Schwedisch-Pommern und Mecklenburg, durch Einstellung von Kriegs¬ 
gefangenen und durch Anwerbung von Überläufern und sonstigen 
Freiwilligen. Die erforderliche Kopfzahl wurde damit erreicht; aber 
die Leute bildeten keinen Ersatz für die erprobten Krieger, die vor 
Prag und Kolin, bei Zorndorf und Hochkirch gefallen waren. Und es 
wurde von Jahr zu Jahr schlimmer. Was nützte ihm sein Feldherrn-
	        
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