Full text: Geschichtliches Lesebuch

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auf anderen Gebieten der inneren Mission, und da kam der alte 
kirchliche Name der Diakonen (Diener) wieder auf. Fast alle Brüder¬ 
häuser sind mit Rettungsanstalten verbunden. Die Erziehung der 
Kinder hat sich überall als beste Vorbereitung für die Brüder er¬ 
wiesen. Zur Aufnahme ins Brüderhaus sind Leute aller Lebens¬ 
stellungen zwischen dem 20. und 30. Jahre willkommen, wenn sie 
nicht durch Militärpflicht gefesselt und wenn sie unverheiratet und 
unverlobt und gesund an Körper und Geist sind. Christliche Gesinnung, 
unbescholtener Lebenswandel und der Wille, Gott in der inneren 
Mission zu dienen, sind selbstverständliche Voraussetzungen. Auch 
muß jeder Eintretende in irgend einem Beruf so tüchtig sein, daß er 
sich damit sein Brot selber verdienen kann. Das Brüderhaus ist in 
erster Linie eine Erziehungsanstalt. 
Manche Arbeiten auf dem Gebiete der inneren Mission lassen 
die Hilfe weiblicher Kräfte wünschenswert erscheinen. Darum 
gründete im Jahre 1836 Theodor Fliedner, der Pfarrer der kleinen 
evangelischen Gemeinde im katholischen Kaiserswert eine Diakonissen¬ 
anstalt (die erste). Bald entstand eine ganze Reihe solcher 
Anstalten. Wie mit dem Brüderhaus fast immer eine Rettungsanstalt 
verbunden ist, in welcher die jungen Leute praktisch auf ihr Amt 
vorbereitet werden, so ist die Diakonissenanstalt immer mit einem 
Krankenhaus verbunden. Durch die Krankenpflege werden die¬ 
jenigen Tugenden, welche der Diakonissin nötig sind, Gewandtheit 
und Ruhe, Eifer und Genauigkeit, Umsicht, Freundlichkeit usw., aufs 
beste entwickelt. Damit sich aber die Erziehung nicht einseitig auf 
Krankenpflege gründe, sind mit den Diakonissenanstalten meistens 
auch Tochteranstalten verbunden, etwa eine Krippe oder eine Warte¬ 
schule, welche gleichfalls, wenn auch nicht für alle so doch für 
viele, eine Ausbildungs- und Übungsstätte werden können. 
Der Kulturkampf. 
In dem preußischen Landtag, der 1870 zusammen trat, und im 
ersten deutschen Reichstag von 1871 schlossen sich die katholischen 
Abgeordneten zu einer besonderen katholischen Fraktion zusammen, 
der sie den Namen Zentrum beilegten. Zwischen ihnen und der 
Regierung, oder mit anderen Worten zwischen der katholischen 
Kirche und dem Staat, erfolgte alsbald ein heftiger Zusammenstoß. 
Das neue Deutsche Reich war entstanden, indem Preußen und seine 
Verbündeten das katholische Österreich und das katholische Frankreich 
niedergeworfen hatten; an der Spitze des neuen Reiches stand ein 
Kaiser evangelischen Bekenntnisses. Darum erschien vielen Katholiken 
die Errichtung des neuen Reiches als eine Niederlage der päpst¬ 
lichen Kirche, und von vornherein stand das Zentrum dem neuen 
Reiche nur mit geringem Wohlwollen gegenüber. 
Als die Mitglieder des Reichstages auf die Thronrede, mit 
welcher der Reichstag eröffnet worden war, eine Adresse an den 
Kaiser absenden wollten, stimmte das Zentrum dagegen, weil in der 
Adresse betont war, daß Deutschland sich nicht in das innere Leben 
anderer Völker einmischen werde, und die Katholiken gehofft hatten, 
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