1. Die alten Sorben.
Betrachtet dort auf der Karte des Königreichs Sachsen die Länder
und Gegenden, die man jetzt mit dem Namen „Sachsen" bezeichnet:
— noch vor 400 Jahren hieß das Hauptstück davon Meißen, wie
gegenwärtig nur eine einzelne Stadt des Landes heißt, nno gar vor
1000 ^abren bieken sie Sorabia. denn damals hatten die Sorben
oder Sorbenwenden ikre Wohnsitze in unseren Gegenden, ein sla¬
wisches Volk, das seit dem vierten Jahrhundert nach Christi Geburt
von Osten her eingewandert war und sich durch dunklere Ham- und
Haarfarbe, durch plattes Gesicht, ferner durch Religion, Sitten und
Sprache bedeutend von den Völkern deutschen Ursprungs unterschied.
Tw der Lausitz*) findet ihr noch schwache Überreste dieses uralten Stam¬
mes. die Wenden, in der Umgegend von Bautzen giebt es noch heutzu-
tage einige Dörfer, in denen kaum ein Wori^euIM^gespröchen wird?
Äreser Menschen Voreltern waren einst unseres Landes Herren; sie sind
im Laufe von neun Jahrhunderten immer mehr und mehr von unseren
deutschen Vorfahren verdrängt worden; sie sind aber schon vor einem
Jahrtausend nicht unbildsam und nicht geistesarm gewesen, denn ihnen
verdankt das jetzige Sachsen die Anfänge seiner trefflichen Bebauung,
seiner berühmten Viehzucht, seiner blühenden Gewerbe und seines
ergiebigen Handels. Die alten Sorben waren nämlich nach damaligem
Zeitbegriffe gar wohlerfahren in den Fertigkeiten, die die äußere Wohl¬
fahrt eines Landes fördern. Sie trieben emsig Ackerbau und Obstbau
— und ihr wisset, dieser ist in den Elbgegenden und von Lommatzsch
bis Leisnig noch immer in vorzüglichem Flor. Sie hatten schöne Vieh¬
zucht — und dadurch behauptet Sachsen noch jetzt einen hohen Ruf,
selbst im fernen Auslande. Sie baueten Flachs, spannen und webten
ihn; sie verwandelten die Wolle ihrer Schafe in Fries und Pferdedecken,
welche von den Deutschen gern gekauft wurden; — seht ihr darin nicht
den Ursprung der höchst gewinnreichen Leinwand- und Tuchmanufaktur,
*) Auch in Böhmen, Österreich, Mähren und Polen wohnen noch Abkömm¬
linge der Slawen. In Sachsen beträgt ihre Zahl etwa noch 47000.
Mohr, Die Geschichte von Sachsen. 9. Aufl. 1
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