Full text: Bilder aus der Geschichte der Provinz Westfalen

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IV. Aus dem Herzogtum Westfalen. 
erfolgte Freisprechung und sofortige Abführung mit verbundenen 
Augen. Mußte der Angeklagte sich schuldig bekennen oder wurde 
er überführt, so verkündete der Freigraf das Urteil, das von den 
Schöffen, dem Umstande, gefällt oder „gewyfen" wurde. 
Das Urteil lautete: „Den Angeklagten Mann N. N., den 
nehme ich aus dem Frieden, aus dem Rechte und aus den Frei¬ 
heiten, die Kaiser Karl gesetzt und Papst Leo bestätigt hat, und 
die ferner alle Fürsten, Herren, Ritter und Knechte, Freie und 
Freischöffen gelobt und beschworen haben im Lande zu Sachsen, 
und werfe ihn nieder vom höchsten Grad zum niedersten Grad, 
und setze ihn aus allen Freiheiten, Frieden und Rechten in Königs¬ 
bann und Wette in den höchsten Unfrieden und Ungnade, und 
mache ihn unwürdig, achtlos, rechtlos, siegellos, ehrlos, friedlos und 
unteilhaftig alles Rechts, und verführe ihn und verfeme ihn und setze 
ihn hin nach Satzung der heimlichen Acht, und weise seinen Hals dem 
Stricke, seinen Leichnam den Tieren und den Vögeln in der Luft, 
ihn zu verzehren, und befehle seine Seele Gott im Himmel in seine 
Gewalt, wenn er sie zu sich nehmen will, und setze sein Lehen und 
Gut ledig, sein Weib soll Witwe, seine Kinder sollen Waisen sein." 
Der Freigraf nahm dann den Weidenstrick, bog ihn und warf 
ihn aus dem Gericht hinaus, und der sämtliche Umstand spie aus. 
Die Todesstrafe wurde sofort vollzogen. Man stach den Angeklagten 
mit einem Dolche nieder oder knüpfte ihn am nächsten Baume auf. 
Meist hatte der jüngste Schöffe das Henkeramt. 
Stellte sich der Angeklagte nicht zum ersten Male, so wurde 
die Ladung noch zweimal in Zwischenräumen von zwei Wochen und 
einem Tag wiederholt. Erschien er auch dann nicht, so galt er als 
schuldig und wurde „verfemt". Der Name des Verurteilten 
wurde in das Blutbuch eingetragen und alle Freischöffen erhielten 
den Auftrag, das Strafgericht zu vollziehen. Der Verurteilte wurde 
von allen Wissenden verfolgt. Wohin er auch fliehen mochte, 
nirgends war er sicher vor der unheimlichen Macht, die sich an seine 
Sohlen heftete. Wo die Rächer seiner habhaft werden konnten, 
ob im Hanse oder auf der Straße, im Felde oder im Walde, da 
vollzogen sie das Todesurteil. Doch mußten sie dabei zu dreien sein. 
Man ließ dem Toten alles, was er hatte, und steckte den Dolch der 
heimlichen Feme mit den geheimnisvollen Zeichen S. S. G. G. 
neben ihm in die Erde, als Zeichen, daß die rächende Feme hier 
ihres Amtes gewaltet hatte. Wer von zwei Schöffen auf „Hand- 
Hafter" Tat, „hebender Hand, blinkenden Scheines, gichtigen (d. i. 
beichtenden) Mundes" ertappt wurde, konnte von ihnen ohne Gerichts¬ 
urteil sofort gehangen werden. 
7. Blüte und Niedergang. Der eigentliche Sitz der Feme blieb 
Westfalen. Am Freistuhl zu Dortmund oder im Baumhofe vor dem 
Schlosse zu Arnsberg kamen die Freigrafen zur Beratung zusammen. 
Aber sie dehnten ihren Wirkungskreis bald über Deutschland aus, 
und aus allen deutschen Ländern konnten stete und unbescholtene
	        
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