Full text: Von der Urzeit bis zum Dreißigjährigen Kriege (Teil 1)

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gegen die Austeilung des Abendmahls unter Einer Gestalt erklärt, 
seine Leipziger Sätze weiter verteidigt: — sowie man aber von den 
Erfolgen Ecks zu Rom, von der bevorstehenden Verdammung hörte, 
zuerst nur durch schwankendes Gerücht, das sich aber von Tag zu 
Tag mehr bestätigte, erwachte sein geistlicher Kriegseifer,- die indes 
in ihm gereiften neuen Überzeugungen brachen sich Bahn: „ Endlich", 
rief er aus, „mufi man die Mysterien des Antichrists enthüllen"; 
im Laufe des Juni, eben als man dort die Verdammungsbulle zu¬ 
stande brachte, schrieb er seinxBuch-/ „An den christlichen Adel deut¬ 
scher Nation", wie seine Freunde mit Recht bemerkten, das Signal 
zum entschiedenen Angriff. Den beiden Nuntien mit ihren Bullen 
und Instruktionen kam dieses Buch, das im August ausgegeben 
ward, von Wittenberg her entgegen. Es sind ein paar Bogen von 
welthistorischem, zukünftige Entwickelungen zugleich vorbereitendem 
und voraussagendem Inhalt. Wie viel hatte man in allen Nationen 
um diese Zeit über die Mißbräuche der Kurie, der Geistlichkeit ge¬ 
klagt! Hätte Luther nichts weiter getan, das würde noch wenig 
bedeutet haben; aber er brachte dabei zugleich einen großen Grund¬ 
satz in Anwendung, der seit jener Disputation Melanchthons sich 
in ihm befestigt hatte: er leugnete den Character indelebilis der 
Weihe und erschütterte damit das ganze Fundament der Absonde¬ 
rungen und Vorrechte des Klerus. Er urteilte, daß in Hinsicht der 
geistlichen BefäLiauua alle Cbristen einander gleich seien. Das will 
der auf ersten Blick schroff erscheinende, aber in der Schrift begründete 
Ausdruck sagen: siL^eien^Ze^PMter. Daraus folgt nun aber 
zweierlei; einmal, dä^orePrlesterschast nichts als eine Amtsführung 
sein könne, „von den andern Christen" sagt er, „nicht weiter noch 
würdiger geschieden, denn daß die Geistlichen das Wort Gottes und 
das Sakrament sollen handeln, das ist ihr Werk und Amt", — 
sodann aber, daß sie auch der Obrigkeit unterworfen sein müsse, 
welcher ein anderes Amt obliege, welche, sagte er, „das Schwert 
und die Ruten in der Hand hat, die Bösen damit zu strafen, die 
Frommen zu beschützen". Wenige Worte, die sich aber der ganzen 
Idee des Papsttums im Mittelalter entgegensetzen, der weltlichen 
Gewalt hingegen, der sie den schriftgemäßen Begriff der Obrigkeit 
vindizieren, eine neue Grundlage geben, die Summe einer neuen 
Weltbewegung, die sich Jahrhunderte hindurch fortsetzen muß, in sich 
schließen. Dabei ist jedoch Luther nicht der Meinung, den Papst zu 
stürzen. Er soll bestehen, natürlich weder als Oberherr des Kaiser¬ 
tums, noch als Inhaber aller geistlichen Gewalt, sondern mit 6e- 
stnpijj^kschmntten..ffkiimnitieiL vor allem, um die Streitigkeiten 
zwischen Primaten und Erzbischöfen zu schlichten und sie zur Er¬ 
füllung ihres Amtes anzutreiben. Auch Kardinäle mögen bleiben, 
aber nur so viele wie nötig, etwa zwölf, und es sollen ihnen nicht 
die besten Pfründen aus aller Welt zufallen. Die Landeskirchen 
sollen möglichst unabhängig sein; zunächst in Deutschland soll man 
Beyer, Lesebuch zur Deutschen Geschichte. I. Q
	        
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