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Die Neuzeit.
Joseph I. (1705—1711)
bestieg den Thron, entschlossen, den Krieg für seinen Bruder Karl
mit allen Kräften fortzusetzen.
Prinz Eugen wurde zum zweiten Male nach Italien geschickt,
wo die Franzosen Turin belagerten und in ihren Verschanzungen
den Angriff der Feinde erwarteten. Ein neuer glänzender (Bieg.
des großen Feldherrn (1706) säuberte ganz Oberitalien von den
Franzosen und errang diese spanische Provinz für Österreich. In
demselben Jahre eroberte Marlborongh die spanischen Nieder¬
lande, deren Einwohner Karl III. huldigten. Auch Neapel, die
dritte Provinz Spaniens, wurde den Franzosen von den Kaiser¬
lichen entrissen, und Ludwig XIV. geriet in solche Not, daß er es
für unmöglich hielt, die ganze spanische Herrschaft noch zu behaupten.
Die Verbündeten aber forderten von den falschen Franzosen, die
jetzt die Rache für ihre früheren Frevelthaten spüren sollten, Ver¬
zichtleistung auf das ganze Erbe. Dadurch aber fühlten sich die
Franzosen in ihrer Nationalehre verletzt und setzten daher den
Krieg ohne hinreichende Mittel und trotz ihrer völligen Erschöpfung
weiter fort. Eugen und Marlborough, die beiden Helden des
Krieges, erfochten neue Siege bei Oudenarde an der Schelde
(1708) und bei Malplaquet im nördlichen Frankreich (1709)
und verlangten schließlich von Ludwig XIV., er solle selbst seinen
Enkel aus Spanien vertreiben und überhaupt alle Forderungen
der Verbündeten buchstäblich erfüllen. Da trat ein Ereignis ein,
das eine Wendung des Glückes für Ludwig herbeiführte und den
untergegangenen Hoffnungsstern Frankreichs wieder aufleuchten ließ.
Der thatkräftige Kaiser Joseph starb im Jahre 1711 an
den Blattern, und ihm folgte sein Bruder Karl VI. als Kaiser
von Deutschland, König von Spanien (Karl III.) und Herr der
großen österreichischen Erblande. Aus Furcht, das politische Gleich¬
gewicht würde durch die Vereinigung dieser großen Machtfülle in
einer Hand gestört werden, zog jetzt England seine Armee vom
Kriegsschauplätze zurück und schloß mit Frankreich den Frieden zu
Utrecht im Jahre 1713. Philipp V. blieb König von Spanien,
England gewann das wichtige Gibraltar, Preußen das spanische
Obergeldern und die Anerkennung seiner Königswürde, Savoyen.