8 Das außerdeutsche Europa im Mittelalter.
scharen ergänzte sich hauptsächlich aus den gefangenen und als Tribut zu
liefernden Christeuknaben, die im Islam unterrichtet, zu Kriegern erzogen
und bei ihrer Heimatlosigkeit das gefügigste Werkzeug des Sultans wur¬
den; die befähigtsten Zöglinge dieser „Kadettenkorps" machte man zu Staats¬
beamten.
Europa 186»! Gestützt aus ihre ausgezeichnete Armee griffen die Nachfolger Osmans in
die Wirren auf der Balkanhalbinsel ein, die sich wegen unaufhörlicher Kämpfe
zwischen dem Byzantinischen Kaisertume, den Bulgaren und Ser¬
ben im Zustande vollständiger Zerrüttung befand, und Mur ad I., einer
der größten Helden der Osmanen, konnte im Jahre 1365 seine Residenz
in Adrianopel aufschlagen. Der gewaltige Sieg, den er 1389 auf dem
Amselfelde (serb. Kossowo) über die Balkanvölker, namentlich die Serben,
davontrug, gab seinem Sohne Bajesid I., dein „Blitz" — Mnrad selbst war
nach der Schlacht umgekommen —, die Möglichkeit, seine Herrschaft bis an die
ungarische Grenze auszudehnen. Dem Könige von Ungarn, dem späteren
Römischen Kaiser Sigismund, der ein ans Deutschen, Ungarn, Franzosen
und Engländern bestehendes Kreuzheer gegen die Osmanen anführte, brachte
er 1396 bei Nikopolis (a. d. Donau) eine vernichtende Niederlage bei.
derMml^lenum^ tour^e fe*n Siegeslauf aufgehalten durch den zweiten Vorstoß der Mon-
uoo. goleit nach dein Westen, die unter ihrem furchtbaren Führer Timnr dem
Lahmen bereits das kleinasiatische Osmanenreich bedrohten. Zwar wurde
Bajesid von ihm besiegt — er starb bald darauf in der Gefangenschaft —,
aber der trotz seiner achtzig Jahre ruhelose Mongolenfürst plante, noch ehe
er den Osmanenstaat unterworfen hatte, einen gewaltigen Kriegszug nach
China, aus dem ihn der Tod ereilte. Der unter seinen Söhnen und Enkeln
eintretende völlige Zerfall des mongolischen Riesenreiches rettete die osma¬
nische Herrschaft und gab ihr wieder freie Hand gegen Europa. So voll-
^tL^efuss'"*en‘5e^e sich im Jahre 1453 das Schicksal des Byzantinischen (ost-
römischen) Kaiserreichs, dem Mohammed II. durch die Eroberung
von Konstantinopel ein Ende nt achte. Nur schwach vom Abendlande unter¬
stützt, fand der letzte Oströmische Kaiser Konstantin XII. aus der Familie
der Paläologen tapfer kämpfend den Tod: Konstantin opel (Stam-
bul) wurde die Hauptstadt der europäischeuTürkei, die altehrwürdige
Kirche der Hagia Sophia die erste Moschee des neuen Staates.
Die weiteren Eroberungen Mohammeds II., des ersten türkischen
en an e . Herrschers, der an Stelle des Titels „Emir" den eines „Sultans" annahm,
zeigten dein Abendlande, in wie hohem Maße es nach dem Wegfall des
letzten Bollwerkes gegen den streitbaren Islam von dem Türkenreiche be¬
droht wurde. Da trat vorübergehend eine Zeit der Ruhe ein, als auf den
Eroberer ein friedliebender Herrscher folgte; eine um so größere Rolle sollten
die Türken dann wieder in der Geschichte des 16. Jahrhunderts spielen.
5. Der Kirchenstaat und das Papsttum. In dem wechselvollen Kampfe
zwischen Kaisertum und Papsttum wurde das ursprünglich auf Rom und Unt-
®rö^en2^eI,S gebung beschränkte Gebiet des Patrimonium Petri erweitert, und am
Kirchenstaates. Ausgang der Hohenstaufenzeit, der Periode höchster Machtentsaltung des
Papsttums, umfaßte der Kirchenstaat ein Gebiet, das sich etwa vom Gari-
gliano im Süden bis zum Unterlauf der Etsch int Norden quer durch