§ 6. Die ersten Glaubenskriege in Deutschland und der Augsburger Religionsfrieden. 31
Aufenthaltsort Karls V., zogen. Mit genauer Not entkam er, wegen
seiner Gichtschmerzen in einer Sänfte getragen, nach Kärnten. Er ver¬
stand sich zum Vertrage zu Pas sau, wonach der Landgraf Philipp 8e2^a“"5S
und der abgesetzte Kurfürst Johann Friedrich in Freiheit gesetzt wurden,
vorläufig unter Beseitigung des Interims Religionsfrieden
herrschen uud auf dem nächsten Reichstage die kirchliche Frage ent¬
schieden werden solle.
4. Der Augsburger Religionsfrieden (1555). Dieser Reichstag
fand drei Jahre darauf zu Augsburg statt. Vergeblich hatte indessen
der Kaiser, während Moritz gegen den „Großtürken" zu Felde zog, deu
Versuch gemacht, mit einem starken deutschen und spanischen Heere
Metz zurückzuerobern. So verblieb diese wichtige Grenzfeste des Reiches
318 Jahre in französischen Händen, woraus der protestantischen Sache,
da der Verlust vou protestantischen Fürsten herbeigeführt war, schwere
Vorwürfe erwuchsen. Der deutschen Dinge überdrüssig, übergab KarlV.
seinem Bruder Ferdinand die Ordnung der streitigen Angelegen¬
heiten. Durch dessen gemäßigte Haltung kam der Religionsfrieden zu¬
stande. Das Augsburger Bekenntnis — nicht auch das der „Re- ^^”5^"
formierten" — wurde reichsgesetzlich anerkannt und für die Stände, 1555.
die sich zu ihm hielten, ewiger Frieden festgesetzt. Sie, die Fürsten
und Magistrate der freien Städte, empfingen das Recht der freien Re- Bestimmungen,
ligionsübuug und der Ordnung der religiösen Angelegenheiten ihres
Gebietes, das ins reformandi. Den Untertanen wurde keine Gewissens¬
freiheit eingeräumt, aber sie durften auswandern. In bezug auf die
geistlichen Reichsstände wurde festgesetzt — aber unter Verwahrung
der evangelischen Stände —, daß sie, falls sie die neue Lehre annähmen,
ihre Würde verlieren, d. h. also, daß alle Erzbistümer, Bistümer,
Abteien mit ihren Gebieten ewig katholisch bleiben sollten. Dies war
der sog. geistliche Vorbehalt (reservatum ecclesiasticum). Doch
durften die protestantischen Adligen und Städte in den Gebieten der
Bistümer und Abteien bei ihrem Glauben verbleiben. Obgleich der
Augsburger Religionsfrieden weder vorn Papste anerkannt noch vom
Kaiser unterzeichnet wurde, bildete er doch fast hundert Jahre lang
die Grundlage der politischen Verhältnisse Deutschlands. Mit ihm war
nicht nur die Zerreißung des deutschen Volkes in zwei kirchliche
Lager besiegelt, sondern auch die Veranlassung zu neuen schweren
Kämpfen gegeben; denn jede Partei hatte gegen die ihr unbillig er¬
scheinenden Bestimmungen Verwahrung eingelegt.
5. Karls V. Ausgang. Früh gealtert und von körperlichen
schmerzen heimgesucht, hatte KarlV. seiueHoffuuug, eine habsburgische
„Uuiversalmouarchie" herzustellen, in der alle nur eine Religion be¬
kennen sollten, scheitern sehen; so lisß er den Gedanken, seine Kronen
niederzulegen, mehr und mehr Macht über sich gewinnen. Im Jahre