55. Eine Szene aus der Sendlinger Bauernschlacht.
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Widerstand zu Boden reißt. Mancher ©ant, in dessen Brnst die Sense zischend
sich vergraben, kollert mit plumpem Fall hauend und schlagend in den Schnee,
aber brutale Hiebe lösen die knochigen Hände von den Zügeln und der
bransende Reitersturm rächt den Fall des Kameraden.
In den Haufen verstreut erkennt man an den Uniformen Soldaten
aufgelöster bayerischer Regimenter, die hier mit ihren bäuerlichen Kriegsgenossen
die Mannentrene zu ihrem Fahneneid mit dem Leben bezahlen.
Schon klimmen am Hang beim Wimbauernhof auch grauröckige Mus¬
ketiere herauf. Noch schwanken die Vordersten vor der entschlossenen Haltung
eines verzweifelten Häufleins; da duckt sich ein herkulisch gebauter, waffenloser
Knecht zum Sprung gegen den zaudernd das Gewehr vorstreckenden Musketier,
doch die Chargierten treiben die Zaghaften an zum Vollzug des Mordwerks.
Da hieben die Zimmerlente von der Au, die sich den Aufständischen ange¬
schlossen hatten, ihre letzten Späne, da schlagen die Schmiede vom Oberland
ihre letzten nervigen Schläge, der Letzten einer jener heldenhafte Schmied
Balthes, von dem kein Dokument zu berichten weiß, den aber treues Volks-
gedeukeu überliefernd aufstellte als das Urbild starren, zähen Mutes und nimmer¬
wankender Treue zur Fahne seines Landes.
Mit der Linken das Symbol kriegerischer Treue aus Herz drückend, mit
der hammergewohnten Rechten den schmetternden Morgenstern regierend, stier¬
nackig dem Feinde Trotz bietend und nicht achtend des ihn umtobenden Ver¬
derbens sei er uns dnrch alle Zeiten die Jdealgestalt bayerischen Löwenmutes
und bayerischer Treufestigkeit.
Das Feld war geräumt, der Sieg erfochten; aus den Leichenhaufen, aus
den Häusern, Ställeu und Scheunen sollte die blutgesättigte Soldateska sich
jetzt ihren Lohn holen. Beutegierig brachen Husaren, Panduren und Kroaten
in die Höfe, die Türen krachten und von neuem verrichteten Jatagan, Säbel
und Faustrohr entsetzliche Arbeit.
Inmitten des über sie zusammenschlagenden Verderbens verkrochen sich
die geängstigten Bewohner hilflos in ihren Hütten, retteten zwar das Leben,
ihre Habe aber fiel der Plünderung zum Opfer.
Die Baueru-Artillerie, kleine, wirkungslose Stücke, die sonst in den
Klöstern zu Tegernsee und Benediktbenern friedliche Dienste zum „Antiaß-
schießen" taten, fallen neben sechs Fahnen und einigem Fuhrwerk als Tro¬
phäen den Siegern in die Hände, mit ihnen die Führer: die Leutnants Clanze
und Aberle und als letzter der kurfürstliche Hauptmann Mayer, der, nach¬
dem Widerstand nutzlos, um dem überlebenden Rest der Landesverteidiger das
Leben zu erwirken, selbst seine Person einsetzte. Über das Feld aber, gegen
den Forstenrieder Wald tobt die Verfolgung.
Längst schon ist der Ort eingekreist dnrch zahlreiche Reiterei, die den
Ring immer enger schließend jeden der Fliehenden wie parforce gejagtes
Wild hetzt.
ffronleber, Lesebuch zur Geschichte Bayerns. lg