Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns

55. Eine L>zene aus der Sendlinger Bauernschlacht. 
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Nun galt's nicht Kampf mehr um Sieg und Freiheit, jetzt ging es ums 
arme Leben. 
Der Rücken war noch frei bis zur nahen Dorfumfassuug; dort in Zäunen 
und Heckeu gab es noch Hindernisse für die Verfolger, in Häusern, Scheunen, 
Ställen noch Deckung gegen das mörderische Blei, auf Straße und Feldweg 
vielleicht noch ein Entkommen. Was noch stand, wirbelte in Haufen die Hänge 
und die hohle Straße am Kirchhof hinauf. 
Hier hetzt der kaiserliche Geueral Kriechbaum selbst sein Fußvolk den 
Fliehenden auf den Nacken. 
In dichten Massen schieben sich die Kolonnen den Berg heran, inmitten 
der Kommandant des Entsatzkorps mit seinem Gefolge, Grenadiere voraus, 
die den vom freien Feld sich Zurückziehenden auf dem Fuße folgen. Schonungs¬ 
los wird hier das Dolchbajonett gebraucht, die 
neue Waffe de's Fußvolks, welche, mit dem Holz¬ 
heft in die Mündung gepflanzt, die Muskete zum 
wuchtigen Spieß machte. Was nützt dagegen die 
dünne Seuseuklinge, was Gabel, Sichel und 
Knüppel! 
Nur der wuchtige Morgenstern, von ner¬ 
vigem Arm geschwungen, die schneidende Axt und 
die altertümliche Hellebarde mag dagegen bestehen. 
„Zum Freithof" brüllt da oben der Sensenmann 
an der Mauer und durch die enge Psorte schiebt 
sich das hastige Getümmel um Schutz bei Altar 
und geweihtem Boden zu finden. ofamm&ier schütze. 
Das Spundbajonett im Lauf der Infanterie- 
muskete hindert den Schuß, aber oben von der Mauer blitzt es, pafft und 
knallt es wie beim Scheibenschießen. 
Hier halten noch Jsarwinkler im grünen Rock mit dem kurzen gezogenen 
Radschloßstutzen stand gegen den geschlossenen Ansturm des kaiserlichen Fußvolkes. 
Wohl werden auch hier schon die Grabhügel zum harten, kalten Sterbe¬ 
bett derer, die aus dem Gemetzel im Wiesengrund hierher sich noch schleppend 
verbluteten, und die alte Kirche aus ferner, eisenharter Zeit sah nie noch solch 
Getümmel um ihre altersgrauen Mauern, wo das Blut der Gemordeten, das 
über die Altarstufen rieselte und an die falten Wände spritzend verrauchte, dem 
Ort des Friedens und ewiger Ruhe selbst die Weihe nahm. 
ber kurfürstlichen Prinzen zu hindern und, einmal im Besitz der Hauptstadt, von hier 
aus der österreichischen Herrschaft ein Ende zu machen. Hauptsächlich waren es wehr¬ 
hafte Männer vom Oberlauf der Isar und dem Land zwischen Loisach und Mangfall 
— Jsarwinkler — die selbstbewußt, trotzend auf eigene Kraft, den blutigen Strauß 
wagten.
	        
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