55. Eine L>zene aus der Sendlinger Bauernschlacht.
287
Nun galt's nicht Kampf mehr um Sieg und Freiheit, jetzt ging es ums
arme Leben.
Der Rücken war noch frei bis zur nahen Dorfumfassuug; dort in Zäunen
und Heckeu gab es noch Hindernisse für die Verfolger, in Häusern, Scheunen,
Ställen noch Deckung gegen das mörderische Blei, auf Straße und Feldweg
vielleicht noch ein Entkommen. Was noch stand, wirbelte in Haufen die Hänge
und die hohle Straße am Kirchhof hinauf.
Hier hetzt der kaiserliche Geueral Kriechbaum selbst sein Fußvolk den
Fliehenden auf den Nacken.
In dichten Massen schieben sich die Kolonnen den Berg heran, inmitten
der Kommandant des Entsatzkorps mit seinem Gefolge, Grenadiere voraus,
die den vom freien Feld sich Zurückziehenden auf dem Fuße folgen. Schonungs¬
los wird hier das Dolchbajonett gebraucht, die
neue Waffe de's Fußvolks, welche, mit dem Holz¬
heft in die Mündung gepflanzt, die Muskete zum
wuchtigen Spieß machte. Was nützt dagegen die
dünne Seuseuklinge, was Gabel, Sichel und
Knüppel!
Nur der wuchtige Morgenstern, von ner¬
vigem Arm geschwungen, die schneidende Axt und
die altertümliche Hellebarde mag dagegen bestehen.
„Zum Freithof" brüllt da oben der Sensenmann
an der Mauer und durch die enge Psorte schiebt
sich das hastige Getümmel um Schutz bei Altar
und geweihtem Boden zu finden. ofamm&ier schütze.
Das Spundbajonett im Lauf der Infanterie-
muskete hindert den Schuß, aber oben von der Mauer blitzt es, pafft und
knallt es wie beim Scheibenschießen.
Hier halten noch Jsarwinkler im grünen Rock mit dem kurzen gezogenen
Radschloßstutzen stand gegen den geschlossenen Ansturm des kaiserlichen Fußvolkes.
Wohl werden auch hier schon die Grabhügel zum harten, kalten Sterbe¬
bett derer, die aus dem Gemetzel im Wiesengrund hierher sich noch schleppend
verbluteten, und die alte Kirche aus ferner, eisenharter Zeit sah nie noch solch
Getümmel um ihre altersgrauen Mauern, wo das Blut der Gemordeten, das
über die Altarstufen rieselte und an die falten Wände spritzend verrauchte, dem
Ort des Friedens und ewiger Ruhe selbst die Weihe nahm.
ber kurfürstlichen Prinzen zu hindern und, einmal im Besitz der Hauptstadt, von hier
aus der österreichischen Herrschaft ein Ende zu machen. Hauptsächlich waren es wehr¬
hafte Männer vom Oberlauf der Isar und dem Land zwischen Loisach und Mangfall
— Jsarwinkler — die selbstbewußt, trotzend auf eigene Kraft, den blutigen Strauß
wagten.