Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Das sürstl. Vorbild innigen Familienlebens; die gnädige Frau von Paretz. 359 
Bald nach Beendigung jenes Feldzuges, Anfangs December, kehrte der 
Kronprinz nach Berlin zurück, und kurze Zeit darauf schied seine Braut 
aus ihrem Familienkreise, um sich nach der Hauptstadt des Reiches zu be¬ 
geben, dessen hochgefeierte Königin sie werden sollte. Unter großen Festlich¬ 
keiten wurde sie von der erfreuten Bürgerschaft eingeholt. Bald wurde daS 
ganze Land von dem Ruhme der Schönheit und der Herzensgute Luisen's 
erfüllt. 
Vor Allem wnrde jene fürstliche Ehe das hohe, weithin durch das Land 
leuchtende Vorbild eines wahrhaft deutschen Familienlebens, wie es in solch 
reiner Liebe sich an den Höfen immer seltener kund gegeben hatte, seitdem 
man sich statt in guter vaterländischer Sitte immer mehr in der französischen 
Galanterie gefiel. Die Neuvermählten lebten nur für einander, und gleichwie 
Luise sich nachher auf dem Throne als eine wahrhaft deutsche Königin be¬ 
währte, ebenso stand sie als Kronprinzessin ihrem Gemahle als eine wahrhaft 
deutsche Hausfrau zur Seite. Nicht bei Hofe, sondern nur zu Haufe fühlten 
sich der Kronprinz und feine Gemahlin recht heimisch. 
Die gemüthlichsten Tage verlebte das fürstliche Paar aus dem Gute 
Paretz, welches der Kronprinz eigens zu einem stillen Landaufenthalte aus¬ 
ersehen hatte. Dort wollte er selbst am liebsten nur als „Schulze von Pa¬ 
retz" angesehen sein, und seine Gemahlin gefiel sich gleichfalls ausnehmend 
als „gnädige Frau von Paretz." Friedrich Wilhelm's vertrauter Freund, der 
General von Kockeritz, schreibt: „Ich habe mit unserer gnädigen Herrschaft 
auf ihrem Landgute Paretz, zwei Meilen von Potsdam, frohe Tage verlebt. — 
Sie genossen mit einem heiteren Herzen so ganz das Einfache der Natur. 
Entfernt von allem Zwange nahmen sie herzlichen Antheil an den naiven 
Aeußerungen der Freude des Landvolkes, besonders bei dem fröhlichen Ernte¬ 
feste. Die hohe schone königliche Frau vergaß ihre Hoheit und mischte sich 
in die lustigen Tänze der Bauernsöhne und Töchter und tanzte vergnügt mit. 
Hier war im eigentlichen, aber besten Sinne „Freiheit und Gleichheit." 
Die schönen Tage, welche Friedrich Wilhelm an der Seite seiner Ge¬ 
mahlin in Paretz verlebte, blieben ihm unvergeßlich. Er bewahrte deshalb 
eine dauernde Vorliebe für diesen stillen Landsitz. 
Der hohe Sinn der Fürstin konnte sich erst recht in vollem Maße be¬ 
währen, als sie mit ihrem Gemahle den Thron bestiegen hatte: von dem An* 
beginn ihrer Regierung bis an ihr frühes Ende gab es keinen Tag, welcher 
nicht durch Wohlthun bezeichnet gewesen wäre. Auf den Reisen, welche sie 
mit Friedrich Wilhelm zur Huldigung der Provinzen unternahm, gewann sie 
durch ihr ungekünstelt herzliches uud wohlwollendes Wesen Aller Herzen, 
und überall hörte man die begeistertsten Segenswünsche für das Königspaar. 
Aber auch als Königin lebte sie, so oft es anging, am liebsten in stiller 
Häuslichkeit in Potsdam, Paretz oder Charlottenburg. Da führte sie ganz 
das Leben der Gattin und Mutter und erfüllte ihre Pflichten mit größter 
Treue und zugleich mit der ihr eigenen Anmuth. In der Muße, die ihr diese 
Zciteit gewährten, reifte auch ihr Geist immer mehr. Ein tiefer frommer 
Sinn, ein treffender Verstand, ein frisches, frommes unb ernstes Streben 
nach Erkenntniß bes Guten unb Schonen hatte bie Königin von Kinbheit an 
ausgezeichnet. Früh schon hatte sie nicht nach Schein, sonbern nach Wahrheit
	        
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