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Dutzend einfacher Polsterstühle, in den Nischen zwischen den
Fenstern zwei Siegesgöttinnen von Gips; das ist die ganze
Einrichtung des Zimmers. Der kleine Schreibtisch am Fenster
hat ihn hier bis in die tiefe Nacht, während eine einfache
Gaslampe das Pult beleuchtete, festgehalten; aus diesem sind
einige Erinnerungszeichen des Kaisers Wilhelm I. ausgestellt,
vor allem steht hier, auf einem Karton befestigt, ein Lorbeer¬
zweig mit dem trauervollen Datum 9. März 1888 ausge¬
zeichnet, ein Zweig, den ihm Kaiserin Augusta von dem
Lorbeerkranz gebrochen hatte, welcher zuerst auf der sterb¬
lichen Hülle des eben entschlafenen Kaisers geruht hatte.
Hier steht auch ein kleines Aquarell des Mausoleums im Park
zu Kreisau, das nach dem eigenen Entwürfe Moltkes einfach
und prunklos aus Ziegeln mit Sandsteineinfassungen errichtet
ist. Den Arbeitsraum verläßt der Feldmarschall erst, wenn
am späten Nachmittag der Ruf zu Tische ergeht; dann erst,
bei nicht allzu schlechtem Wetter nach einem kurzen Spazier¬
gang durch den Tiergarten durchmißt er die übrigen Zimmer
seiner Wohnung, durchschreitet ein schmales Vorzimmer, welches
das Wartezimmer für die Besucher ist, die er empfängt,
weiter den vierfenstrigen Konferenzsaal, in dem er früher
regelmäßig die Offiziere des Generalstabes zu versammeln
und durch feine berühmten Musterverträge zu belehren pflegte,
und tritt dann in die beiden reich mit Kunstgegenständen
und Andenken an den Kaiser und die Kaiserin ausgestatteten
Zimmer, in denen die meist kleine Gesellschaft sich zu ver¬
sammeln pflegt, die mit ihm das Mittagsmahl teilt. Hier,
im anstoßenden Zimmer, wird am Abend meist gute Musik
gemacht, und hier wird meist eine kurze Zeit dem Whist¬
spiel gehuldigt, das der Feldmarschall mit großer Aufmerk¬
samkeit pflegt. Als Hausfrau schaltet jetzt in diesen Räu¬
men die Gattin seines persönlichen Adjutanten und Neffen,
Hauptmanns v. Moltke. In der Regel widmet der Feld¬
marschall sich seinen Gästen bis gegen 10 Uhr abends,