Full text: Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts

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Der König erneuerte am 19. Juli, dem Todestage feiner Mutter, den 
Orden des eisernen Kreuzes zur Auszeichnung für Tapferkeit. 
In der Stiftungsurkunde sagt der König: „Angesichts der ernsten Lage 
des Vaterlandes und in dankbarer Erinnerung an die großen Heldenthaten unserer 
Vorfahren in den Jahren des Befreiungskampfes will Ich das von Meinem in 
Gott ruhenden Vater gestiftete Ordenszeichen des eisernen Kreuzes in seiner ganzen 
Bedeutung wieder aufleben lassen. Das eiserne Kreuz soll ohne Unterschied des 
Ranges oder Standes verliehen werden als Belohnung für das Verdienst, welches 
entweder im Kampfe mit dem Feind oder daheim in Beziehung auf diesen Kampf 
für die Ehre und Selbständigkeit des teuren Vaterlandes erworben wird." 
Wie hat dieses schlichte Kreuz von Eisen den Wetteifer der 
Tapferen erregt, und mit welchem Stolz trägt noch heute der damit 
Geschmückte feine Auszeichnung! Auf den 27. Juli wurde vorn Könige 
ein allgemeiner Bettag angeordnet; mit gefalteten Händen erflehten die 
Beter in heißer Andacht Gottes Schutz für unsere gerechte Sache. 
In wenigen Tagen standen fast 600000 Mann mit 1400 Ge¬ 
schützen kampfbereit an der Weftgrenze unseres Vaterlandes. 
Eine weitere halbe Million deutscher Streiter wurde während des ganzen. 
Feldzuges diesen nachgeschickt, so daß über eine Million deutscher Soldaten 
Feindesland betreten hat. 
Mit entschlossenem Ernste sahen sie dem Feinde entgegen, der sich 
in wahnwitzigen Prahlereien erging über feine vorzüglichen, ausgedienten 
Krieger, ja über feine wilden, zügellosen Horden aus Afrika, die 
Turkos und spahis, die am liebsten wie Katzen im Verstecke lauerten 
unb aus dem Hinterhalte schossen.2) Darüber waren alle Franzosen 
einig, daß diesen in Verbindung mit dem Feuer der überlegenen 
Chassepotgewehre und der verheerenden Wirkung der Kugel- 
spritzen (Mitrailleufen)3) feine Armee standhalten könne. — Wiederum 
zog mit unseren Bewaffneten eine waffenlofe Armee, die Frei¬ 
willigen mit dem roten Kreuz im weißen Felde. Zahlreiche Männer 
und Frauen, Geistliche wie Laien trieb die christliche Barmherzigkeit in 
den wilden Schlachtenlärm, um Verwundeten und Sterbenden leiblich 
und geistig beizustehen. Und im lieben Vaterlande wetteiferten zahl¬ 
lose Vereine in der Sammlung von Liebesgaben zur Pflege der leiden¬ 
den, zur Erquickung und Stärkung der gefunden Truppen, für die 
Familien der Einberufenen und für die Hinterbliebenen der Gefallenen. 
Am 2. August morgens früh traf König Wilhelm in Mainz ein, 
wo er fein Hauptquartier auffchlug. Sofort übernahm er den Ober¬ 
befehl über das in 3 Armeen geteilte Heer. Die erste Armee, 
*) Zum Schutze der Nord- und Ostseeküste wurde dort die Nordarmee unter 
dem Oberbefehle des Generals Vogel von Falckenstein, des glorreichen Führers 
der Mainarmee, aufgestellt. Die französische Flotte versuchte aber während des 
ganzen Krieges nicht einmal eine Landung. 
*) Die afrikanischen Horden kamen aus dem durch Frankreich im Jahre 
1880 erorberten Staate Algier. Die sehr gemischte Bande bestand aus gelben 
Kabylen, braunen Arabern und schwärzlichen Negern mit fletschendem Raubtiergebiß. 
3) Die Mitrailleuse hatte 25 Stahllänfe, die mit ebenso vielen Patronen 
geladen wurden. Eine Schlagnadel brachte durch drehende Bewegung des Boden¬ 
stückes diese Patronen mit solcher Schnelligkeit zur Explosion, daß in der Minute 
8—10 mal die ganze Ladung verschossen werden konnte.
	        
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