Full text: Vom Regierungsantritt Friedrichs des Großen bis zum Wiedererstehen des Deutschen Reiches (Bd. 8)

24 Zeitalter Friedrichs des Großen. 
lassen und dankbar empfangen will. In roheren und derberen 
Zeiten herrschte der Gebrauch, den Hafer, gleich nachdem der Erb- 
marschall das Teil weggenommen, den Springbrunnen, nachdem 
der Erbschenk, die Küche, nachdem der Erbtruchseß sein Amt ver¬ 
richtet , aus der Stelle preiszugeben. Diesmal aber hielt man, 
um alles Unglück zu verhüten, soviel es sich thun ließ, Ordnung 
uni) Majg. Doch sielen die alten schadensrohen Späße wieder vor, 
daß, wenn einer einen Sack Hafer ausgepackt hatte, der andere ihm 
ein Loch Hineinschnitt, und was dergleichen Artigkeiten mehr waren. 
Um den gebratenen Ochsen aber wurde diesmal wie sonst ein 
ernsterer Kampf geführt. Man konnte sich denselben nur in Masse 
streitig machen. Zwei Innungen, die Metzger und Weinschröter, 
hatten sich hergebrachtermaßen wieder so postiert, daß einer von 
beiden dieser ungeheure Braten zu teil werden mußte. Die Metzger 
glaubten das größte Recht an einen Ochsen zu haben, den sie un- 
zerstückt in die Küche geliefert; die Weinschröter dagegen machten An¬ 
spruch, weil die Küche in der Nähe ihres zunstmaßigen Aufenthalts 
erbaut war, und weil sie das letzte Mal obgesiegt hatten; wie denn 
aus dem vergitterten Giebelsenster ihres Zunft- und Versammlungs¬ 
hauses die Hörner jenes erbeuteten Stiers, als Siegeszeichen her¬ 
vorstarrend, zu sehen waren. Beide zahlreichen Innungen hatten 
sehr kräftige und tüchtige Mitglieder; wer aber diesmal den Sieg 
davongetragen, ist mir nicht mehr erinnerlich. Wie nun aber eine 
Feierlichkeit dieser Art mit etwas Gefährlichem und Schreckhaftem 
schließen soll, so war es wirklich ein fürchterlicher Augenblick, als 
die bretterne Küche selbst preisgemacht wurde. Das Dach derselben 
wimmelte sogleich von Menschen, ohne daß man wußte, wie sie 
hinausgekommen; die Bretter wurden losgerissen und herunter- 
gestürzt, so daß man, besonders in der Ferne, denken mußte, ein 
jedes werde ein paar der Zudringenden totschlagen. In einem Nu 
war die Hütte abgedeckt, und einzelne Menschen hingen an Sparren 
und Balken, um auch diese aus den Fugen zu reißen; ja manche 
schwebten noch oben herum, als schon unten die Psosten abgesägt 
waren, das Gerippe hin und wider schwankte und jähen Einsturz 
drohte. Zarte Personen wandten die Augen hinweg, und jeder¬ 
mann erwartete sich ein großes Unglück; allein man hörte nicht 
einmal von irgend einer Beschädigung, und alles war, obgleich 
heftig und gewaltsam, doch glücklich vorübergegangen. Jedermann 
wußte nun, daß Kaiser und König aus dem Kabinett, wohin sie 
vom Balkon abgetreten, sich wieder hervorbegeben und in dem 
großen Römersaale speisen würden. Man hatte die Anstalten dazu 
tags vorher bewundern können, und mein sehnlichster Wunsch 
war, heute womöglich nur einen Blick hineinzuthun. Ich begab 
mich daher aus gewohnten Pfaden wieder an die große Treppe,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.