Full text: Ein deutscher Bürger des sechzehnten Jahrhunderts

Hosen und Wams etwas heraus und gingen ohne Schuhe 
auf den Socken bloßen Hauptes — das große Spiel der 
nürnberger Spielleute, die mit aller Macht blasen mußten, 
voran — einer hipter dem andern ganz leise bald nach 
dem Mittagessen aus der Herberge nach der Wohnung des 
Herzogs Heinrich die Gasse entlang. In der einen Hand 
hatte der herzog ein Paar Würfel und in der andern etliche 
Goldstücke. Eine große Masse Menschen, besonders von 
fremden Nationen, Italiener und Spanier, lief zusammen 
und sah diesen deutschen „Ebriaken" (Trunkenbolden) zu. 
Aber der Wein überwältigte sie, so daß, als sie zum Braun- 
schweiger hinaufkamen, der Liegnitzer mit beiden Händen 
vor dem Herzog von Braunschweig auf den Tisch schlug; 
aus der einen Hand hatte er das Geld verloren, in der 
andern hatte er nur einen Würfel; er konnte nicht lallen, 
sondern stürzte bei dem Tische nieder. Der Braunschweiger 
ließ ihn durch vier von seinen Edelleuten aufheben, eine 
Stiege hinauftragen und in ein Bett legen. Der Kaiser 
soll übel damit zufrieden gewesen sein, daß den Deutschen 
vor andern Nationen solch ein greulicher Spott widerfuhr. 
Nun waren bei ihm Anzeichen genug dafür vorhanden, 
daß er nicht übel erzogen war; denn ich habe etliche Tage 
zuvor über Tisch, wo er ziemlich bezecht war, von ihm ganze 
Geschichten aus dem alten Testament, nicht wie sie in der 
Bibel stehen, sondern in seinen eignen Worten, nicht allein 
erzählen, sondern auch auf seines Vaters Angelegenheiten, 
die er beim Kaiser zu vertreten Befehl hatte, anwenden 
hören, daß ich mich gar sehr wunderte. 
Darum ist zwar an 8 er Erziehung gar viel gelegen, 
aber es gehört doch auch dazu, daß, wenn der gut Erzogene 
zu den Jahren der Selbständigkeit kommt, er durch Gott, den 
heiligen Geist, zum rechten Gebrauch dessen, was er in 
seiner Jugend gelernt hat, getrieben und geführt werde; 
das haben die Eltern neben ihrer Erziehung samt den 
Kindern vom lieben Gott zu erbitten. Als Krucht des Doll' 
faufens erkennt man, daß man aus der einen Sünde in die 
andere fällt. Denn als der Herzog keine Saufgesellschaft 
zu Nürnberg mehr bekommen konnte, kam er in der Nacht 
vor meine Kammer und klopfte und rief so lange, daß ich 
erwachte und ihm antworten mußte. Da bat er mich um 
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