II. Ältere Staatenbildung.
3
geborene Hang zur gegenseitigen Abschließung und Befehdung immer
lebendig.
Auf geschützter Anhöhe legten die Gaugenossen eme von starken
Mauern umgebene Bergungsstätte an, wo sie in Seiten der 9cot
Frauen und Kinder, Lab und Gut in Sicherheit bringen, bergen
konnten (Berg, Burg). Auf dieser Burg wohnte der Gauoberste,
der als Feldherr und Richter die bestehenden Ordnungen schirmte
und zum Zeichen seiner Stellung den Titel „König" führte, d. H. „aus
vornehmer Familie stammend". Solcher Gaustaaten mit Gau-
königen an der Spitze gab es ursprünglich viele; noch heute werden
Trümmer mächtiger Königssitze gefunden, die Mittelpunkte
stark bevölkerter Gaustaaten gewesen sein müssen; oft liegen sogar
mehrere in der gleichen Ebene beieinander.
Den Trümmern dieser Äerrschersitze verdanken wir die Kunde
über den Kulturzustand der griechischen Welt im 2. Jahrtausend
v. Chr., über die uns schriftliche Quellen nicht vorliegen. Der
Geschichtsforscher mußte zum Spaten greifen und die Reste auf¬
spüren, die der Erdboden von dem Leben und Treiben der ältesten
3eit bewahrt hat. Der mecklenburgische Pfarrerssohn Heinrich
(Schliem an« hat zuerst auf diesem Wege größere Erfolge erzielt.
Im Besitz eines bedeutenden Vermögens und voll Liebe zu den
Dichtungen Homers veranstaltete er vor einigen Jahrzehnten in der
Nordwestecke Kleinasiens, wo man das homerische Troja vermutete,
umfassende Ausgrabungen. Die reiche Ausbeute ermutigte ihn
auch zu Ausgrabungen in den Ruinenhügeln des griechischen Mutter¬
landes. Vor allem war es Mykene, das seine Mühe mit reichen
Funden lohnte. Voller Begeisterung glaubte Schliemann die
Geschichtlichkeit der homerischen Erzählungen erwiesen zu haben.
Diesen Glauben hat aber die historische Forschung zerstört. Ihr
gelang der Nachweis, daß die ausgegrabenen Altertümer zum Teil
in weit frühere Zeit zurückweisen als die Lieder Homers. Sie künden
vielmehr von alten, mächtigen Königsgeschlechtern, die im 2. vorchrist¬
licher: Jahrtausend um das östliche Mittelmeer geherrscht haben.
Reiche Funde aus Kreta haben unsere Kenntnisse erweitert Sie
erzählen von einer Mittelmeerkultur, die ums Jahr 2000
v. Chr. blühte und sich der gleichzeitigen ägyptischen und babylomjchen
zur Seite stellen kann. Unter diesen kretischen Entdeckungen ist die
wichtigste die Ausgrabung eines riesigen Palastes, der in der
griechischen Sage als das Labyrinth des Königs Minos fort¬
gelebt haben mag. Buntfarbige Fresken an den Wänden geben
uns ein Bild von dem geradezu raffinierten Luxus, der dort am
Königshofe geherrscht hat. Zwar ist es noch nicht gelungen, die