57
die Schulen, um sich zu überzeugen, ob seine Anordnungen befolgt mürben und
ob die Kinder etwas gelernt hätten. Mit Recht hat man Friedrich Wilhelm I. den
Schöpfer der preußischen Volksschule genannt.
4. Seine Sorge für die Verbesserung der Rechtspflege.
Wenn auch Friedrich Wilhelm seinen Staat vollständig absolut regierte,
so hielt er doch streng auf die Befolgung der Gesetze. Schon als Kronprinz war
ihm die Langsamkeit der Prozesse ausgefallen; zu Anfang feiner Regierung schrieb
er deshalb an die oberste Gerichtsbehörde: „Ich muß so streng sein, weil die schlimme
Justiz zum Himmel schreit, und wenn ich nicht abhelfe, -so lade ich selbst die
Verantwortlichkeit auf mich." Er verlangte alfo vor allen Dingen Schnelligkeit
in der Rechtspflege. Damit verband er zugleich völlige Gerechtigkeit, jede Partei¬
lichkeit sollte ausgeschlossen fein; der Richter sollte nach seiner Meinung das Gesetz
walten lassen ohne Ansehen der Person. Einst hatte ein adeliger Beamter Gelder
veruntreut. Er glaubte seiner Herkunft wegen ohne Strafe zu bleiben. Doch hatte
er sich arg getäuscht, denn der König ließ ihn auf der Stelle erhängen. Auch sorgte er
dafür, daß jedes Vergehen hart bestraft wurde. Oftmals hat er Urteile der Richter,
wenn sie ihm zu mild maren, eigenmächtig verschärft. Wilddiebe mußten ohne
Gnade und Barmherzigkeit sechs Jahre auf der Festung Karren schieben, und Diebe,
die in ein Hans eingestiegen waren, wurden vor der Tür aufgehängt. Besonders
verhaßt waren dem Herrscher die Rechtsverdrehungen der Rechtsanwälte. Einst
wohnte er in Minden einer Gerichtssitzung bei. Als der erste Rechtsanwalt auf¬
getreten war, sagte der König: „Der Kerl hat Recht!" Nun kam aber der Rechts¬
anwalt der Gegenpartei unb legte ebenfalls feinen Standpunkt klar. Da sprang
der König ärgerlich auf unb rief: „Der Kerl hat auch recht!" unb verließ in Hellem
Zorne ben Sitzungssaal.
5. Seine äußere Politik.
1. Seine Erwerbungen.
Obgleich Friebrich Wilhelm ein großer Solbatensreunb war, liebte er
ben Krieg mit seinen Opfern an Gelb unb Menfchen boch nicht. Nur einmal zog
er zum Schutze unb zur Vermehrung feines Lanbes bas Schwert, bas er mit un¬
endlichem Fleiße geschärft hatte. Im Jahre 1697 war in Schweben Karl XI. ge¬
storben; sein Nachfolger würbe sein fünfzehnjähriger Sohn, ber als Karl XII.
von 1697—1718 ben schwebischen Thron inne hatte. Die Nachbarn suchten bie
Jugend unb die Unerfahrenheit des Königs zu benutzen, um Schwedens Übergewicht
im Norden Europas, das hauptsächlich durch Gustav Adolf geschaffen worden war,
zu brechen. Aus diesem Grunde verbanden sich Peter der Große von Ru߬
land, August II. von Sachsen-Polen und Friedrich IV. von Dänemark.
In der Hauptsache handelte es sich um die Eroberung der Ostseeprovinzen Livland
Esthland und Jngermanland. Karl XII. kam aber den Schlägen seiner Feinde
zuvor. Plötzlich landete er auf Seeland, nötigte die Dänen zum Frieden und zwaug
sie, dem Bündnis gegen Schweden zu entsagen. Dann durchfuhr er die Ostsee und
besiegte Peter den Großen bei N a r w a. Doch nutzte Karl diesmal seinen Sieg