Full text: Bilder aus den deutschen Alpen, dem Alpenvorlande und aus Oberbayern (Bd. 1)

104 Das Alpengebirge. 
Während des Mittelalters und bis lange in die neue Zeit hinein waren 
die Pässe über den Brenner und über den Splügen die vom Verkehr am meisten 
gesuchten oder eigentlich die einzigen Wege von Deutschland nach Italien. Bald 
waren es die buntgemischten, mit dem Kreuze geschmückten Scharen, die begeistert 
über den Brenner nach Italien zogen, um vou dort über das Mittelmeer uach 
dem Heiligen Lande zu fahren, bald die Hohenstanfischen Kaiser ans ihren Rö- 
merzügen, begleitet von dem allgemeinen Heerbann, der Blüte deutscher Ritter- 
schaft iu Kettenhemd und Harnisch, den hellen Haufen der Reisigen in Sturmhut 
und Wams, die auf diesem Wege, der damals sogenannten „Kaiserstraße", 
den Ghibellinen Italiens zu Hülse eilten, um im Kampfe gegeu die Anmaßung 
der Päpste und die lombardischen Städte zu verbluten. 
Aus demselben Wege zog auch der jugendliche Konradin zur Besitznahme 
seines Erbes nach Italien hinab, wo die römische Arglist im Bunde mit wäl- 
schem Truge ihm, dem letzten Sprößling des Heldengeschlechtes, den Untergang 
aus dem Blutgerüst bereitete. 
Deu Höhepunkt ihrer Bedeutung für den Handelsverkehr erreichte die 
Brennerstraße während des vierzehnten uud fünfzehnten Jahrhunderts als 
nächste Verbiudungslinie zwischen den großen italienischen Handelsplätzen am 
Mittelmeer, — Venedig, Genna, — und den volkreichen, gewerbthätigen deut- 
schen Reichsstädten Augsburg, Regensburg, Ulm und Nürnberg. Freilich trug 
die Straße damals großeutheils nur deu Charakter eines Saumpfades, auf 
welchem „das Maulthier im Nebel feinen Weg sucht", und der Anblick eines 
Fngger'schen Waareuzuges, der mit schwerbelasteteu Saumthieren mühsam und 
langsam an den steilen Gebirgshäugeu emporklettert, sticht merkwürdig ab von 
demjenigen eines Waarenznges über den Brenner in unserer Zeit, der aus 
glatten Schienen mit der gleich einer Fahne darüber wehenden Dampfwolke 
zwischen den Bergen dahinrollt, bald im Schöße der Felsen verschwindet, bald 
auf prachtvollen Kunstbauten Thäler und Schluchten übersteigt. 
Als zu Anfang des 16. Jahrhunderts die schönen Lande Oberitaliens 
abermals den Gegenstand uud Schauplatz langwieriger Kriege zwischen Deutsch- 
laud und Frankreich (Karl V. uud Franz I.) bildeten, da wurden die Alpen 
sowol von deutscher als von französischer Seite öfters mit Heeresmacht über- 
stiegen. Auch damals waren die Zustände der Alpenstraßen noch nicht viel 
besser. Der Steig, aus welchem Frnndsberg sein Heer im Winter 1526 vou 
Trieut nach Italien führte, war so steil und schmal, daß die Landsknechte einer 
nach dem andern wie die Gemsen klettern mußten, uud daß Niemand reiten 
mochte, da Manu und Roß fielen. Herr Georg von Frnndsberg, der Führer 
und „Vater der deutschen Landsknechte", arbeitete sich mühsam zu Fuß hinauf; 
weil er stark uud schwer vou Leibe war, hielten die Knechte ihre langen Spieße 
wie Geländer ihm zur Seite. 
Die Westalpeu wurden auch iu deu Kriegen der folgenden Zeit von fran- 
zösischen Heeren öfters überschritten. Gewöhnlich war es der Paß von Moni 
Genevre, über den sie den Weg nach Italien nahmen. 
In den Kriegen, welche die Französische' Revolution erregte, wider- 
hallten die sonst so stillen Alpenthäler von dem furchtbarsten Kampfgetöse.
	        
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