20 Theuderich der Große. — Untergang der Ostgoten.
Innere Politik Seine Herrschaft erstreckte sich von der Rhonemündung bis zur
Theoderichs. mittleren Donau und von der Regensburger Gegend bis über Sy¬
rakus hinaus. Nachdem er in den Besitz Italiens gelangt war,
bestrebte er sich, die zwei Gruppen unter seinen Unterthanen mög¬
lichst rasch auszusöhnen. Aber eine Annäherung der besiegten Römer
und der siegreichen Goten war nicht möglich, nicht nur wegen der
nationalen, sondern auch wegen der religiösen Gegensätze,
da die Römer katholischen, die Goten arianischen Be¬
kenntnisses waren. Auch eine Verfügung Theoderichs wirkte
seinem eigenen Plane entgegen. Er hielt nämlich trotz aller Achtung,
die er vor der griechisch-römischen Kultur hegte, seine Goten, die
eine Art von Kriegerkaste in seinem Reiche bildeten und als
solche vor allem waffeutüchtig bleiben sollten, von Schulunterricht
und gelehrter Bildung fern?) Die Beschäftigung mit Künsten,
Wissenschaften und Gewerben überließ er lediglich den Römern.
Aus diesen nahm er auch seine Räte und Gehilfen bei der Regierung,
die wie eine Fortsetzung der römischen erscheint. Die berühmten
Bauwerke Italiens stellte Theoderich unter seinen Schutz. In seiner
Residenz Ravenna erbaute er die Apollinariskirche und errichtete
sich daselbst einen Palast und ein noch vorhandenes Grabdenkmal.
Äußere Politik Die äußere Politik Theoderichs zielte besonders ans Er-
Theoderichs. Haltung des Friedens ab. Er wünschte, daß alle während der
Völkerwanderung entstandenen germanischen Reiche in auf¬
richtiger Freundschaft zu einander stünden. Zu diesem Zwecke
gab er die Prinzessinnen seines eigenen Hauses an die Könige der
Wandalen, Westgoten, Burguuder und Thüringer, wie er selbst eine
fränkische Prinzessin zur Gemghlin nahm. Diese ihm verschwägerten
Fürsten ermahnte er in häufigen Briefen zur Eintracht und genoß
bei ihnen auch einigermaßen das Ansehen eines obersten Schieds¬
richters. Eine solche Friedenspolitik hielt er darum für richtig, weil
er erkauute, daß den eben erst entstandenen germanischen Reichen
eine gemeinsame Gefahr vom oströmischen Reiche drohe.
Amala- Was er gefürchtet, trat bald ein. Nach seinem Tode über-
swintha. nahm seine hochgebildete Tochter Amalaswintha die Regierung.
Das Reich ging jedoch einem raschen Verfall entgegen, und zwar
einerseits durch Streitigkeiten in der königlichen Familie,
bei welchen Amalaswintha ermordet wnrde, und andererseits durch
den scharfen Gegensatz, der zwischen Römern und Goten bestand.
So wurde ihm denn bald durch den byzantinischen Kaiser Justinian
’) Theoderich meinte, ein Knabe, der vor der Rute gezittert habe, werde
nie ein Schwert führen lernen.
2) Justinian (um 555) ist der bedeutendste unter den griechischen Kaisern
in dem Zeitraume von 395—1453. Er ließ die römischen Rechtsbe¬
stimmungen in ein großes Werk (das corpus juris) sammeln, das heute
noch die Grundlage des Rechtsstudiums auf den Universitäten bildet. Er