94. Eroberung Konstantinopels durch die Türken.
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des türkischen Reiches in Asien. Seine Nachfolger drangen nach Europa herüber,
eroberten schon einen großen Teil des griechischen Kaiserreichs und machten Adria¬
nopel zu ihrer Residenz (1365). Furchtbar war besonders das Fußvolk der
Türken, die Janitsch aren. Zu denselben nahmen die Sultane die schönsten
und stärksten Christenknaben in den unterworfenen Ländern, ließen sie im Islam
und in den Waffen erziehen und besoldeten sie reichlich. So geschah es, das Christen-
kinder der Schrecken der Christenheit wurden.
2. FM 5tOHft(intiHO^Cl§ (1453). Dem schwer bedrohten Konstantinopel
war noch eine längere Gnadenfrist vergönnt. Im Jahre 1453 aber rückte der wilde
Sultan Mohammed II. mit einem mächtigen Heere, sowie vielen Kanonen und
Belagerungsmaschinen heran und schloß die Stadt ein. Die Einnahme derselben
war indes nicht leicht. Konstantinopel war stark durch seine Lage und Befestigung;
auch hatte Kaiser Konstantin XI. an dem Genueser Iustiniani eilten
ausgezeichneten Kommandanten. Anfangs konnten deshalb die Türken nichts Er¬
hebliches ausrichten. Besonders wütend war der Sultan, daß man den Hafen durch
eine starke Kette gesperrt hatte, die er vergeblich durch seine Schiffe zu sprengen
versuchte. Da er nun um jeden Preis in den Besitz des Hafens gelangen mußte,
ließ er nachts 80 kleinere Schiffe auf Walzen und geölten Brettern über das Land
ziehen und so in den Hafen bringen. Groß war der Schrecken der Christen über
dieses kühne und nur zu wohl gelungene Unternehmen der Feinde.
Nun setzte der Sultan einen Tag zum Sturm auf die Stadt fest. Morgens
drei Uhr begann der verzweiflungsvolle Kampf. Die türkischen Kanonen donnerten
gegen die Mauern; in Pulverdampf gehüllt, rückten die Schiffe und die Truppen
heran. Die Griechen und Genueser kämpften wie Löwen und schlugen zwei Stunden
lang alle Angriffe der Türken zurück. Als das Ringen am heißesten war, wurde
Justiuiani verwundet; da vergaß er plötzlich seiner bisherigen Tapferkeit und eilte
zurück, um sein Leben zu retten. Seine Entfernung verbreitete Mutlosigkeit und
Verwirrung unter den christlichen Kämpfern, und bald drangen die Janitscharen
mit wildem Kriegsgeschrei in die Stadt. Vergebens warf sich ihnen Konstantin
an der Spitze seiner Getreuen entgegen; er selbst fand den Tod im Gedränge. —
Der Einnahme der Stadt folgte Plünderung und Mord. Einige Taufende der
unglücklichen Einwohner wurden erwürgt, die übrigen zu Sklaven gemacht. Die
Gebäude schonte man, weil der Sultan Konstantinopel zu seiner Residenz erkoren
halte. Die prächtige, von Justittiait erbaute Sophienkirche wurde in eine Moschee
verwandelt und auf ihren Kuppeln statt des Kreuzes der Halbmond aufgepflanzt.
3. Bedeutung dieses Ereignisses für das Abendland. So ging
das morgeitlimdifche Kaiserreich infolge seiner Sünden zu Grunde, und ein asiatisches,
christenfeindliches Volk herrscht seitdem im Südosten Europas. Furcht und Entsetzen
ergriff das Abendland bei der Knude von dem Falle Konstantinopels, und damals
fing man in Deutschland an, mittags die SBetglocke oder Türkenglocke zu läuten,
damit alles Volk Gott täglich um Abwendung der Türkengefahr anflehe. Übrigens
ist die Einnahme Konstantinopels nicht ganz ohne wohlthätige Folgen geblieben.
Scharen von gelehrten Griechen flohen nach Italien und wurden die Lehrer der
weniger gebildeten Abendländer. Diese Einwanderung von Griechen nach Italien
hat im Verein mit der kurz zuvor erfundenen Buchdruckerkunst einen neuen Auf-
1 chwung der Künste und Wissenschaften in Europa zur Folge gehabt.