Zweite Abtheilung.
Lebensbeschreibungen und Denkwürdigkeiten von Martin Luther bis
auf die neueste Zeit.
I. Deutschland.
Martin Luther.
§• 62. Luthers Jugend. Martin Lucher wurde im Jahre 1483 am
10. November in Eisleben geboren. Sein Vater, Hans Luther/ und seine Mutier
Margarete, geb. Lindemann, lebten in dem Dorfe Möhra bei Eisleben. Sie
kamen später nach Mansfeld, wo Martin feinen ersten Unterricht erhielt. Vater,
Mutter und Lehrer straften ihn zuweilen recht hart. Als Martin 14 Jahre alt
war, wurde er nach Magdeburg und bald darauf nach Eisenach auf die Schule
geschickt. In Eisenach nahm stch die Frau Cotta feiner besonders an, indem sie
ihm Wohnung und Kost gab, für ihn das Schulgeld bezahlte und ihn in der
Musik unterrichten ließ. Im 18. Jahre kam Luther nach Erfurt auf die Universität.
Er sollte eigentlich ein Rechtsgelehrter werden. Allein eine lateinische Bibel, die
er in der Universitätsbibliothek fand, brachte ihn auf andre Gedanken. Je mehr
er seine Bibel las, desto weniger Gefallen fand er an der Rechtsgelehrsamkeit.
Er beschloss daher, seine Laufbahn zu ändern. In feinem Beschluss bestärkte ihn
noch der plötzliche Tod seines Freundes Alqius. Er ging in das Augustiner¬
kloster zu Erfurt und wurde Mönch. Im Kloster hatte Luther ein sehr trauriges
Leben. Er glaubte, nicht fromm genug zu fein, und härmte sich deshalb sehr ab.
Als im Jahre 1508 der Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen für die
Universität Wittenberg einen Professor der Theologie suchte, wandte er sich an
Dr. Johann von Staripitz, den Vorsteher des Augustinerklosters in Erfurt. Dieser
schlug Suchern zu der Stelle vor, und so kam Luther von Erfurt nach Witten¬
berg, wo er den größten Theil seines Lebens zugebracht hat.
§• 63. Luther in Wittenberg. Luther war mit Zagen nach Witten¬
berg gegangen, und, als ihn Staupitz sogar zum Predigen in der Stadtkirche auf¬
forderte, sagte er: „Herr, Ihr bringt mich um mein Leben, ich werde es nicht
ein Vierteljahr treiben." Dennoch ging es mit Luthers Predigten so gut, dass
er zum Prediger gewählt wurde. Nach einigen Jahren bekam Luther, der noch
immer Mönch war, den Auftrag, in Angelegenheiten feines Ordens nach Rom zu
reifen. Auf dieser Reife, noch mehr aber in Rom, lernte er den Leichtsinn der
katholischen Geistlichen kennen. Nach feiner Rückkehr wurde er zum Doktor der
Theologie ernannt. Da geschah es, dass ein Dominikanermönch, Johann Tezel,
Norddeutschland durchzog und Ablass verkaufte. Die Päpste sagten nämlich,
es sei in vielen Kirchen, besonders in Rom, ein großer Schatz von guten Werken
aufbewahrt. Diese guten Werke seien diejenigen guten Handlungen, welche die
Heiligen mehr gethan hätten, als sie eigentlich zu thun brauchten. Wenn nun
jemand viel gesündigt habe, wofür er von Gott oder von der Obrigkeit bestraft
werden müsfe, so brauche er nur, um der Strafe zu entgehen, sich solche guten