Full text: Angewandte Geschichte

Die Entartung der Nobilität und die sozialen Kämpfe. 
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2. Entrechtung aller Bewohner des weiten Reichs: 
a) Die eroberten außeritalischen Länder, die Provinzen, deren 
Zahl seit dem Ende des I. Panischen Krieges (241) immer größer 
wurde, waren rechtlich mit ihrem gesamten Boden römisches Staats- 
land, staatlicher Grundbesitz (ager publicus). Es galt als Gnade, 
daß die Bewohner ihr Privateigentum behielten; dafür mußten sie aber 
jährlich eine Art Pacht zahlen (vectigalia). Daneben wurden die 
ehemaligen königlichen Güter Staatsdomäne, ager publicus im engeren 
Sinne, und wurden verpachtet. Das Wiesen- und Weideland, die 
Waldungen, die Fischereien, die Bergwerke gehörten Rom. So zog denn 
der Staat aus den Provinzen große Einkünfte, ohne etwas dafür zu leisten. 
Dies war aber keineswegs der schlimmste Druck, der auf den 
Provinzen lastete. Fast alljährlich wechselten die Statthalter 
(Prätoren, später Prokonsuln oder Proprätoren). Sie hatten, mit 
wenigen Ausnahmen, nur das eine Streben, nach der einjährigen Ver- 
waltung der Provinz reich, sehr reich nach Rom zurückzukehren. — 
Den größten Teil der staatlichen Einnahmen trieb der Quästor ein, 
der sich gleichfalls möglichst zu bereichern suchte. Die vectigalia 
wurden an die Steuerpächter, die publicani, verpachtet; sie sorgten 
dafür, daß sie doppelt so viel einnahmen, wie sie dem Staate zahlen 
mußten. Außerdem wurden die Provinzen von römischen Kaufleuten, 
Wucherern, Getreidespekulanten geradezu überschwemmt. Das 
Recht des Stärkeren wurde gegenüber den Bewohnern der Provinzen 
zu einer großartigen, zum Teil staatlich organisierten Aussaugung. 
b) Die latinischen und italischen Bundesgenossen, mit 
denen foedera aequa, d. h. Bündnisse auf dem Standpunkte der 
Gleichheit, abgeschlossen waren, wurden seit dem Anfang des 2. Jahr¬ 
hunderts vor Chr. allmählich zu recht- und fchutzlofen „Untertanen" 
herabgedrückt; mehr und mehr gewöhnten sich die Römer an die Vor- 
stellung, daß Hab und Gut, Leib und Leben der Bundesgenossen nur 
dafür da fei, ihren Interessen zu dienen: 
Nach dem entsetzlichen II. Punischen Krieg geschah nichts, 
um die verwüsteten Städte und Fluren der Bundesgenoffen 
wiederherzustellen, obwohl man ihnen in erster Linie die 
Besiegung Hannibals zu danken hatte. Vielmehr wurden sie 
sosort gezwungen, für die Tafchen der römischen Kapitalisten 
die mazedonischen und syrischen Kriege zu führen. 
Nichts verschärfte den Unterschied zwischen ,Bürgern' und 
Bundesgenossen' mehr als die drei Gesetze über die Prügel- 
und Todesstrafe aus den Jahren 198, 195, 184 (leges
	        
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