Full text: Neue und neueste Geschichte (Theil 3)

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constituirende, d. H. verfassunggebende Versammlung; 
die Bürger waren fest entschlossen, nicht auseinander zu gehen, 
bis sie dem Reiche eine neue Verfassung gegeben hätten. Ein 
Vetter des Königs, der Herzog von Orleans, welcher selbst 
nach der Krone strebte, hatte den Pöbel erregt und bereits große 
Unordnung veranlaßt, so daß Ludwig sich genöthigt sah, eine Ab¬ 
theilung Militär von Paris nach Versailles zu beordern. Schon 
das erbitterte das Volk; als aber Ludwig seinen Finanzminister 
Necker, den Liebling des Volkes, entließ, da brach der Sturm los. 
I Das Volk erstürmte die Bastille*), ein in der Mitte von 
Paris gelegenes Schloß, in welchem die Opfer der Minister und 
Höflinge als Gefangene schmachteten, befreite die Gefangenen und 
machte das Schloß dem Erdboden gleich (14. Juli 1789). Von 
dieser That an datirt man die erste französische Revolution. 
Nun hob die National-Versammlnng alle Vorrechte des Adels 
und der Geistlichkeit auf und erklärte die Freiheit und Gleichheit aller 
Bürger als Gesetz. Das Volk aber durchbrach schon alle Schranken 
und verübte solche Greuelthaten, daß eiu großer Theil des Adels 
und des Hofes das Land verließ; nur der König blieb in Versailles 
zurück. Da beschlossen die Aufrührer unter der Führung des Her¬ 
zogs von Orleans, sich des Königs zu bemächtigen; eine gerade 
ausgebrochene Brottheurung wurde dem König schuld gegeben; ein 
durch heftige Reben unb ben Genuß von Branntwein fast bis zum 
Wahnsinn erhitzter Volkshaufe zog nach Versailles unb zwang ben 
König, feine Wohnung in Paris zu nehmen. Dahin folgte auch 
Balb bte National-Versarnrnlung. 
Aber weder ber König, noch die National-Versammlnng waren 
jetzt mehr selbstständig; beide waren in der Gewalt der Pariser 
Volksführer. In der National-Versammlnng gab es jetzt zwei Par¬ 
teien, eine, welche es mit dem Königthum hielt, und eine andere, 
welche für die Republik schwärmte. Unter den letzteren, welche 
man wegen ihrer erhöhten Sitze in der National-Versammlnng die 
„Männer des Berges" nannte, waren die Jakobiner die schlimm¬ 
sten; vor ihnen war auch der König nicht mehr sicher, weshalb 
Ludwig beschloß, sich durch die Flucht in's Ausland zu retten. 
Als er aber auf der Flucht durch einen Postmeister erkannt wurde, 
mußte er, vom Volke gebrängt, wieber nach Paris zurückkehren, 
wo er von nun an in fcestänbiger Gefahr schwebte. Die National- 
garbe in Paris vermochte bie Greuelthaten bes Pöbels nicht mehr 
*) spr. Bastij,
	        
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